Seitenblicke ins Katholische.
Neue Erfahrungen mit der Kirche

Vortrag in der evangelischen Erlöserkirche Lüdenscheid am 13.6.2022
(gekürzte Fassung)


7.
Schlussbild – eine Hoffnungsfigur: Andreas Knapp


Jahrgang 1959, war er ein rising star der Erzdiözese Freiburg: Studentenpfarrer, dann Regens des Priesterseminars – die Mitra „hatte er schon im Tornister“.
Aber da war noch etwas Anderes – der Stachel von Charles de Foucauld, jetzt heiliggesprochen, der Nazaret suchte – und die verborgenen Jahre Jesu. Der lange in der Wüste Sahara lebte und die „Spiritualität des vorletzten Platzes“ beschrieb. Der letzte Platz ist ja schon vergeben: Jesus am Kreuz“!
Auf diesen Heiligen gehen Gemeinschaften zurück: Kleine Brüder vom Evangelium. Sie missionieren nicht, betreiben keine Pfarreiseelsorge. Eher: Leben teilen zu dritt oder viert – z.B. in Obdachlosensiedlungen. Sie leben oft von Fabrikarbeit. Erst wenn die Frage gestellt wird: Warum macht ihr das? Dann erst antworten sie.
Andreas Knapp hört in Freiburg auf. – 2000 macht er Praktika, wird Putzmann in einem Altenheim in Paris, Bauarbeiter in Neapel. Dann Joghurtverkäufer auf dem Markt in Cochabamba, Bolivien. Er macht Erfahrungen „von unten“: Völliger Perspektivwechsel.
Dann Rückkehr nach Deutschland, in den Osten, in radikale Diaspora, Leipzig-Grünau. Plattenbausiedlung, 6. Stock. Ex-DDR! Halbtags arbeitet er als Fabrikarbeiter, Packer. Sehr außerhalb des kirchlichen Milieus und der kirchlichen Strukturen. Beistand /Seelsorger in Randgruppen, besonders bei Flüchtlingen. Dann Gefängnisseelsorger.
Ökumene – er setzt sich sehr ein für die große syrisch-orthodoxe Gemeinde in Leipzig – arabische christliche Flüchtlinge aus Syrien und Irak. Die machten 20 Anläufe, um eine Kirche und ein Zentrum zu bauen, Andreas macht für sie Öffentlichkeitsarbeit und Spendenaquise.
Aber er bekennt: Kein Nachwuchs. „Wenn es nach uns nicht weitergeht, haben wir trotzdem eine gute Zeit gehabt.“
Schriftstellerisch sehr begabt, mit seinem Hintergrund und seiner „Erdung“ ist er einer der besten und bekanntesten christlichen Lyriker. Wichtig: Bemühen um Glaubenssprache, die nicht formelhaft und abgegriffen ist , die aufhorchen lässt, die verstanden wird.

Beispiel aus seinem Gedichtband „Brennender als Feuer“, S. 89:

Mitten in der Welt

Unser Stadtviertel ist unser Kloster,
und die belebten Straßenkreuzungen
sind unser Kreuzgang.
Unsere Klosterwerkstätten
sind die Fabriken,
und unsere Gebetszeiten
werden von der Stechuhr diktiert.
Unsere Fürbitten stehen in der Zeitung,
die Probleme der Nachbarn
hören wir als Tischlesung,
und ihre Lebensgeschichten
sind unsere Bibliothek.
Die Gesichter der Menschen
sind die Ikonen, die wir verehren.
Und im leidgezeichneten Antlitz
schauen wir auf den Gekreuzigten.



8. Einige Schlusssätze