Adventspredigt
Predigt am 30.11.2025
Vielleicht kennen Sie das aus guten Restaurants: „Amuse gueule“, der kleine Gruß aus der Küche. Ein kleines Appetithäppchen, eine bisschen Pastete, ein kleines „Leckerli“ – liebevoll vom Koch komponiert, in
keiner Speisekarte zu finden, um einfach Lust zu machen auf das Menu, das kommt. Gruß aus der Küche.
So ähnlich ist es mit dem Advent.
Advent will Lust machen auf das, was kommt. Er will ein erster Vorgeschmack sein, ohne schon etwas vorwegzunehmen. Er ist Verheißung – noch nicht die Erfüllung.
Advent könnte heißen: Geschmack finden an dem, was uns zugesagt ist. Geschmack zu finden am Leben. Am Leben mit starker Hoffnung. Am „Leben in Fülle“.
Was ist Hoffnung? So etwas wie Optimismus? „Regt euch nicht auf – es wird alles schon gut ausgehen“? So Worte wie die von Bonhoeffer, die wir so gerne singen: Von guten Mächten wunderbar geborgen, erwarten
wir getrost, was kommen mag…? Bonhoeffer schrieb das zu Silvester 1944, im Bombenhagel auf Berlin, wo er im Gefängnis saß. Im April, dreieinhalb Monate später, wurde er in einem KZ hingerichtet, aufgehängt.
War da nichts mit den guten Mächten? Die große Zuversicht: Fehlanzeige? Hatte Bonhoeffer sich geirrt? Die wunderbare Geborgenheit – nur ein schöner, aber leerer Traum?
Mir hilft bei der Antwort sehr ein Wort von Vaclav Havel, dem großen tschechischen Denker und Dichter, der in kommunistischen Zeiten immer wieder im Gefängnis saß – der aber als hochgeachteter Präsident seines
Landes, der Tschechei, endete. Havel schrieb oder sagte einmal:
Hoffnung ist nicht die Überzeugung, dass etwas gut ausgeht. Hoffnung ist die Gewissheit, dass etwas Sinn hat, egal wie es ausgeht….
Auch wenn Havel im Gefängnis geendet hätte, ohne je wieder die Freiheit zu erleben: sein mutiger Einsatz für die Menschenrechte war übervoll von Sinn. Er verkörperte die Wahrheit, die nur wenige sonst
auszusprechen wagten. Er gab anderen, unzähligen Menschen, Hoffnung.
Bonhoeffer dagegen verlor sein Leben. Ein Augenzeuge berichtet, dass der Pastor sehr gefasst, betend, fast gelassen auf den Galgen zuging. Die guten Mächte hatten ihn nicht verlassen. Ja, er wurde getötet,
ermordet – es ging nicht gut aus, es gab kein happy end. Dennoch ist auch er ein Mensch der Hoffnung – denn jeder seiner Lebensschritte, auch der politische Widerstand, war in sich voller Sinn, gerecht,
wahrhaft, beispielhaft. Die Hoffnung sagte ihm nicht: Du kommst mit heiler Haut und unangetastet davon! Die Hoffnung sagte ihm eher: Gott geht jeden deiner Schritte mit, auch durch die enge Schlucht, auch ins
ganz Dunkle.
Das könnte die Hoffnung der Christen sein.
Wir wurden ja vom verstorbenen Papst Franziskus fürs Jahr 2025 auf einen Pilgerweg der Hoffnung geschickt. Wir Christen – Pilger der Hoffnung! Der Papst versprach uns keine spektakulären Erfolge:
Wiederaufblühen des Glaubens, Frieden zwischen den verfeindeten Ländern, Stopp des Klimawandels, Gesundheit für die Kranken.
Hoffnung ist kein Wunschkonzert. Darum hadern ja manche mit Gott, weil er unsere verständlichen und berechtigten Wünsche nicht erfüllt. Wir haben doch so für die Oma gebetet – und die Oma ist trotzdem
gestorben.
Aber vielleicht gehörten wir ja zu den guten Mächten für die Oma, haben sie besucht, haben sie ermutigt, haben sie nicht sich selbst überlassen.
Und vielleicht gehören wir zu den Menschen, die in kleinen Schritten auf Frieden bedacht sind, auf das Lebendigbleiben der Kirche, auf Gemeinschaft oder auf Bewahrung der Schöpfung. In kleinen Schritten, jeder
an seinem Platz. Und jeder Schritt trägt den Sinn in sich, trägt die Hoffnung in sich. Trägt etwas von Gott in sich. Pilger der Hoffnung gehen, machen Schritte, meistens kleine, manchmal große, gehen nicht
allein, spüren manchmal den Mensch gewordenen Gott an der Seite, spüren manchmal auf ihrer Lebensreise, auf ihrem Pilgerweg das Interesse Gottes an uns Menschen, das den Namen Jesu trägt.
Auch wenn die großen Erfolge ausbleiben und Wünsche nicht in Erfüllung gehen.
Zum Schluss noch ein kleines Gebet für den Advent:
Gott, heute morgen
war das Spiel der Farben
am Himmel so schön.
Kein tristes Novembergrau,
sondern helles Bleu und Rosa
und sogar Gold.
Mit Deinen Farben streiche hinein
in unser Leben,
dass wir die Energie haben,
morgens aufzustehen
und tagsüber
aufrecht zu bleiben
und gute Schritte zu gehen
und nachts schlafen zu können
geborgen wie in Abrahams Schoß
trotz allem …