„Steh auf - und iss!“

Predigt am 11.08.2024

Steh auf und iss! Das ist einer der wunderbaren Sätze der Bibel. Es ist auch ein guter Mutmacher fürs Leben. Steh auf! Und iss! Steh auf – eine Ermutigung für jeden Tag. Manchmal sind die Tage lustlos, frustrierend, langweilig, reine Routine. Manchmal können wir uns zu nichts aufraffen. Nichts macht Freude. Nichts „schmeckt“ richtig. Wir sind „zu“. Und Gott hat auch „dicht gemacht“. Schweigt. Ist himmelweit weg. Was bleibt da übrig? Schlafen. Im Bett bleiben. Irgendwann nicht mehr aufstehen. Vielleicht sogar: sich den ewigen Schlaf wünschen?

Steh auf und iss! Wir wenden uns dem Propheten Elija in der Lesung zu. Der konnte damals wirklich einen Mutmacher gebrauchen! Denn er ist am Ende, todmüde, deprimiert, ausgebrannt. Er „hat die Nase voll“. Was ist passiert? Er hat den Hass seiner Königin Isebel auf sich gezogen. Man muss sie sich wie eine richtige Hexe vorstellen. Rachsüchtig, machthungrig, eine Intrigantin – so ist Isebel. Und sie stammt gebürtig aus dem Ausland. Aus Phönizien (heute: Libanon). Der alte Gott des jüdischen Volkes, Jahwe, interessierte diese Königin nicht – er erschien ihr fremd und überholt. Baal zählte für sie, ihr Gott aus dem Ausland, aus der heidnischen Welt. Der Gott des Wohlstands, des Erfolgs, der Fruchtbarkeit. Wir sollten nicht denken, dieser Götze Baal sei aus der Welt. Im Grunde wird er ja immer noch aufs höchste „verehrt“! Wohlstand, Reichtum und Erfolg über allem! Isebel lässt überall Baalstempel bauen und unterdrückt die Anhänger Jahwes. Elija kämpft tapfer, leidenschaftlich und voller Eifer dagegen an. Oft ist er allein auf weiter Flur. Die Leute laufen massenweise über – zu Baal. Der ist halt ein sehr angenehmer Gott mit attraktivem Programm: Wohlstand und Erfolg. Das zieht immer! Elija kommt sich sehr allein gelassen vor – auch von Gott. Kaum einer mehr im Tempel, in der Kirche! Fast alle übergelaufen zu Baal, der das Blaue vom Himmel verspricht.

Und Elija, der unverstandene Prophet, flieht. Weg von seinem Volk, weg von der gefährlichen Königin. Flieht in die Wüste. Da ist er nun ganz allein, voller Selbstmitleid, voller Selbstzweifel. Und ohne Gott, ohne Jahwe, für den er sich doch so eingesetzt hat. Auch wenn er noch zu ihm betet: „Nun ist es genug, Herr! Nimm mein Leben; ich bin auch nicht besser als meine Väter!“ Aber Gott rührt sich nicht, scheint weit weg, und dem Elija unter dem Ginsterstrauch bleibt nur der Schlaf, das Abtauchen, das Verkriechen, die Depression – ja, der Wunsch, tot zu sein. Er gehört zu den Menschen, die fühlen: Ich bin gescheitert. Ich hab´s nicht hingekriegt. Es hat alles keinen Zweck mehr! Alles ist nur Last. Und da ist keiner, der helfen kann. Kein Mensch – und kein Gott!

Doch – heißt es dann, in der Lesung. Doch – ein Engel rührte ihn an und sprach: „Steh auf und iss!“ Eine große Überraschung, völlig ungeplant – nicht in Elijas Hand, nicht in meiner Hand. Ein Engel – Gottes Fürsorge auf zwei Beinen! Wirst du für mich, werd ich für dich der Engel sein?, sang man damals im Jugendchor. Eine schöne Frage für zwei Menschen, die heiraten und eine Familie gründen. Eine schöne Frage überhaupt im Zusammenleben der Menschen: Wirst du für mich, werd ich für dich der Engel sein?

Den Engel im Leben kann man sich nicht herbestellen wie einen Kellner. Er ist auf einmal da, er kommt von selbst, wie eine Form der Gnade. Ein Bote Gottes! Er wird mir zugeschickt – der Freund und dann der Partner. Später die eigenen Kinder. Und manch anderer Mensch, der mein Leben bereichert! Eine Spruchkarte sagt: „Ein Engel ist jemand, den Gott dir ins Leben schickt, unerwartet, unverdient – damit er dir, wenn es ganz dunkel ist, ein paar Sterne anzündet!“ Ich kenne das ganz gut, das „mit den Sternen anzünden“, wenn es einem so dunkel ist. Wenn man mit den Sternen gar nicht rechnet. Wenn man das Wort „Steh auf und iss!“, diese Einladung so richtig gut gebrauchen kann!

Die Lesung drückt das ganz handfest aus. Der Engel predigt dem Elija nicht, er erklärt nichts und fordert nichts – er gebraucht nur vier Worte: Steh auf und iss! Nimm das Brot; nimm den Wasserkrug, neben deinem Kopf, in deiner Reichweite! Nimm die eiserne Ration, die alltägliche Stärkung, ohne die es nicht geht! Sieh, was noch da ist, übersieh es nicht. Nimm es, auch wenn es nur wenig ist. Schenke dem Selbstverständlichen in deinem Leben, in der Ehe und Familie deine Aufmerksamkeit. Folge dem Engel. Lass dich von ihm wecken. Und steh auf!

Und wenn es nicht beim ersten Mal klappt, dann beim zweiten oder dritten Mal! Wie bei Elija. Der ist ja nach dem ersten Anstoß des Engels gleich wieder in den Schlaf gefallen. Beim ersten Mal kapieren wir oft noch nicht. Aber nach der zweiten Berührung durch den Engel mag es gehen: Elija „wanderte, durch diese Speise gestärkt, vierzig Tage und vierzig Nächte bis zum Gottesberg Horeb“. Und da – nach langem Weg – zeigt sich Gott dem deprimierten Propheten wieder. Nicht in gewaltigem Auftritt, nicht mit Glanz und Gloria. Nicht im Sturm, nicht im Erdbeben, nicht im Feuer, nicht in dem, was einen „erschlägt“. Vielmehr ganz sacht – in einem leichten Wind-hauch, in einem „sanften, leisen Säuseln“. Das kann man so leicht überhören.

Gott schickt seine Boten, seine Engel und wartet selber am Ende des Weges. Er kommt ganz behutsam wieder bei Elija an, ganz still. Der Prophet hat noch einen weiten Weg vor sich. Es geht weiter – für Elija. Es geht weiter – für uns.