Ohne Handgepäck und Koffer

Predigt am 14.07.2024

Die Ferien haben begonnen, und viele Leute packen ihre Koffer. Was da alles mitgenommen wird. Ich habe Nachbarn abreisen sehen und dachte: Sind die ein halbes Jahr unterwegs?

Ganz anders bei Jesus, heute im Evangelium. Er schickt seine Jünger los – gerade nicht in die Ferien, sondern in eine höchst anspruchsvolle Arbeit; ihr Auftrag ist, das Evangelium zu verkünden, die Dämonen zu vertreiben und Kranke zu heilen. Also: das Reich Gottes nahezubringen. Aus den Fischern vom See werden somit „Menschenfischer“ – Wander-Prediger – oder besser: Zeugen, die nicht nur mit Worten, sondern mit ihrer Lebensweise den Glauben bezeugen und vorleben.

Die richtige Lebensweise der Jünger und ihr richtiges Auftreten liegen Jesus sehr am Herzen: Nehmt nichts mit! Kein Brot, keine Vorratstasche, keinen Notgroschen im Gürtel, kein zweites Hemd. Nur einen Wanderstab (auch um wilde Tiere abzuwehren) und an den Füßen nur Sandalen. Achtet darauf, dass euch nichts unnötig beschwert!
Warum diese äußerst karge Ausstattung, dieser Minimalismus? Selbst Handgepäck ist nicht erlaubt.

Ich sehe vier Gründe:

Erster und wichtigster Grund: Gottvertrauen. Zieh los und stütze dich nur auf Gott und die Botschaft; er wird weiterhelfen. Und diese Einfachheit – alles auf eine Karte setzen – kann andere überzeugen. Wahrheit ist nicht so sehr, kluge oder weise Gedanken zu äußern. Wahrheit „springt mich an“, wenn einer das Wahre und Rechte tut, wenn einer sie lebt.
Daraus folgt heute: der Bote, der Zeuge „hält den Ball flach“, was die Mittel angeht. Finanzen, Verkehrsmittel, ein Auto, technisches Equipment, viel Papier und ein Methodenkoffer dürfen sein, aber sind nur Beiwerk. Man kann sie zu hoch hängen und sich in ihnen verlieren. Nachfolge Jesu ist auch nicht in Sitzungen zu erledigen, – man muss sich auf den Weg machen, hingehen zu den Menschen, mit einem hörenden aufmerksamen Herzen unterwegs sein – darauf kommt es an.

Zweitens: Nehmt nichts mit. Man kann ja auch viel Falsches, Schädliches mitnehmen. So mancher Missionar, der vor hundert Jahren nach Afrika ging, brachte seine Denkwelt von damals mit, seinen französischen oder deutschen Nationalismus, eine vermeintliche europäische Überlegenheit gegenüber den Afrikanern. Er konnte sich nur als „Chef“ sehen und kleidete den Glauben in ein sehr europäisches Gewand. Seine Gläubigen sangen dann lateinische Lieder und trugen die Kleider Europas, aber eine „Übersetzung“ des Glaubens in die afrikanische Kultur hinein wurde oft vermieden. Und so muss jeder Bote sich überprüfen, ob seine Verkündigung überlagert ist von den Einkleidungen seines Landes oder des jeweiligen Zeitgeistes. Den Glauben gibt es nie in Reinform, sondern immer in einem bestimmten „Gewand“: Da stecke ich drin, aber ich kann mich „umziehen“, wenn das Kleid zu eng wird oder verschleißt. Das ist zur Zeit unsere Lage in der deutschen Kirche. Damenmode z.B. steht heute bei uns stärker an.

Drittens: Die Jünger werden zu zweit ausgesandt. Sie sind nicht gedacht als Einzelkämpfer, sondern als kleines Team. Unterwegs werden sie miteinander reden (wie die Emmausjünger!), sich austauschen und nicht immer einer Meinung sein, einer wird den anderen manchmal korrigieren, aber vor allem werden sie sich stützen und helfen, werden Gemeinschaft ausprobieren und ihre Erfahrung mit dem Wort Jesu machen: „Wenn zwei oder drei in meinem Namen versammelt sind, dann bin ich mitten unter ihnen.“

Viertens geht es darum, den Wert der Gastfreundschaft zu spüren. Vielerorts gibt es Häuser und Familien, wo die Jünger Verpflegung und ein Dach überm Kopf finden. Sie sollen diese Häuser als gastfreundliche Stützpunkte nehmen, dort einige Zeit – aber nicht zu lange – bleiben und sich nicht bei den anderen durchfuttern: Bleibt in dem Haus, in dem ihr einkehrt, bis ihr den Ort wieder verlasst! Und so wird Gastfreundschaft zu einem ganz wichtigen Juwel im Christentum. Gast sein heißt geben und empfangen. Gast sein heißt auch: Ich bin nicht „Herr im Haus“; ich überlasse mich dem, was für mich vorgesehen ist. Ich bin angewiesen auf Hilfe und esse das, was auf den Tisch kommt. Die Planungen laufen oft ins Leere, man lernt, den Tag anzunehmen, so wie er kommt. Gast sein heißt, ein Entdecker werden – Gott im Leben zu entdecken, im eigenen Leben, im Leben der anderen. So ist der Gast in einer vielleicht schwachen, aber geistlich sehr fruchtbaren Position.

Jesus verschweigt nicht, dass die Jünger auf Ablehnung stoßen können: „Wenn man euch nicht hören will, dann geht weiter und schüttelt den Staub von euren Füßen.“ Den Staub von sich zu schütteln war damals eine bei den Juden übliche Geste, wenn sie von heidnischem in jüdisches Gebiet kamen. Wenn die Jünger auf Unglauben gegenüber Jesus treffen, sollen sie das also auch tun. Auf keinen Fall sollen sie sich entmutigen lassen und sich nicht verbiegen oder anbiedern, um freundlichere Aufnahme zu finden. Am Evangelium Jesu Christi führt für sie kein Weg vorbei. Und für uns heute auch nicht. Vielleicht hilft uns vor diesem großen Anspruch das Wort von Roger Schutz aus Taizé: Lebe das, was du vom Evangelium verstanden hast – auch wenn es nur wenig ist!“ Mit diesem Wenigen in unserem Herzen und in unseren Händen können wir es wagen.