Ein neuer Heiliger für diese Zeit: Carlo Acutis

Predigt am 07.07.2024

Es fällt mir schwer herauszufinden, wie das heutige Evangelium (Mk 6,1-6: Jesus wird in seiner Heimat abgelehnt) unseren Glauben stärken kann. Daher möchte ich etwas Aktuelles aufgreifen: die angekündigte Heiligsprechung des Italieners Carlo Acutis. Selbst unsere Tageszeitung hat ihm ein Titelbild gewidmet. Muss also etwas Besonderes sein.

Hier das Bild. So geht es durch die Welt. Ein Teenager, vielleicht 14 Jahre alt. Einer, der einem sofort sympathisch ist. Wahrscheinlich ist er auf einer Bergtour in den Ferien. Fröhlich und leicht skeptisch (typisch für dieses Alter) schaut er in die Kamera. Im Jahr 2005. Und jetzt, kaum zwanzig Jahre später – wird er ein Heiliger.

Wie wird ein Teenager heilig? Sein kurzer Lebensweg ist schnell erzählt. Geboren 1991, wächst er in einer wohlhabenden Familie in Mailand auf. Die Eltern sind katholisch auf dem Papier – mehr nicht. Eine Überdosis an Glauben bekommt Carlo in seiner Familie also nicht mit. Aber es gibt ein Aupairmädchen, eine junge Polin namens Beata, die bei ihm wie eine Hebamme des Glaubens wirkt. Das gibt es also noch: dass auch in einer religiös uninteressierten Familie ein künftiger Heiliger heranwachsen kann!

Carlo wächst als ganz normaler Junge in Mailand auf, er interessiert sich für Sport und Playstation, blödelt mit Freunden herum und spielt gerne den Klassenclown. Es ist, wie schon erwähnt, die Begegnung mit dem Kindermädchen Beata, die vorlebt, wie Christsein geht. Sie erzählt Carlo von der großen Liebe Jesu zu den Menschen. Carlo saugt den Glauben auf wie ein Schwamm. Im Zentrum steht dann bei ihm eine ungewöhnlich tiefe Liebe zur Eucharistie. Später sagt er: „Die Eucharistie ist meine Autobahn zum Himmel.“ Täglich sucht er schon als Kind die Nähe des Herrn und kann gar nicht verstehen, dass es vor Rockkonzerten lange Warteschlangen gibt, nicht aber vor den Tabernakeln der Kirchen. Dabei täte die Anbetung den Menschen so gut: „Wenn wir für längere Zeit an der Sonne sind, werden wir braun. Wenn wir aber vor Jesus in der Eucharistie verweilen, dann werden wir heilig.“

Man stelle sich vor, wie erschrocken wohl manche Eltern heute reagierten, wenn das heranwachsende Kind sich plötzlich so verhält! Aber Carlo ist absolut kein „Spinner“, ganz im Gegenteil: Sehr beliebt in der Klasse, als offener herzlicher Schulkamerad geschätzt, ist er mittendrin unter den anderen, hilfsbereit und engagiert. Carlo ist kein „komischer Heiliger“. Im Lauf der Jahre weitet er sein soziales Verhalten über die Schule hinaus aus. Das Leben aus der Eucharistie drängt zu konkreten Taten der Nächstenliebe. Später bei seiner Beerdigung wundert sich seine Mutter, wer all diese Leute waren, die da kamen, um Carlo die letzte Ehre zu erweisen: alles Menschen, denen ihr Sohn auf unterschiedliche Weise geholfen hat.

Es kommt noch etwas hinzu: Carlo ist entflammt für die neuen Medien, für das Internet. Früh erkennt er das Potential der digitalen Welten. Mit großem Eifer baut er zahlreiche Websites auf, um den Glauben und besonders die Eucharistie an die Menschen zu bringen. Manche Medien nennen ihn darum später den „Influencer Gottes“. Carlo spürt, welche Anziehungskraft die neuen technischen Möglichkeiten auf ihn und seine Altersgenossen ausüben. Dieser Junge schafft den Spagat zwischen modernster Kommunikation und – Anbetung. Der Papst hat ihn darum schon zum Patron des Internets erklärt.

Völlig überraschend, wie ein Blitz aus heiterem Himmel, kommen 2006 Ärzte mit der schrecklichen Diagnose: Leukämie. Nahezu gelassen reagiert Carlo, er sagt: „Unser Ziel muss das Unendliche sein. Die Unendlichkeit ist unsere Heimat. Wir werden immer im Himmel erwartet.“ Gefasst und ohne Angst geht er seinem Lebensende entgegen und stirbt im Oktober 2006. In Jeans, Sweatshirt und Turnschuhen ruht er seit ein paar Jahren hinter einem Glasschrein in einer Kirche in Assisi.

Was können wir mitnehmen vom Leben dieses außergewöhnlichen Jungen? Der Weg zur Heiligkeit steht allen Menschen offen. Carlo Acutis zeigt, dass es auch heute Menschen gibt, die sich von der Botschaft Jesu berühren lassen und seinen Spuren folgen. Ein Heiliger ist nicht abgehoben, er steht mit beiden Beinen auf der Erde, auch wenn er vom Himmel träumt. Seine Mitschüler haben ausgesagt, dass er ein ganz normaler Junge war: einer, der lachte, der sehr empathisch war, der gerne Quatsch machte, der vor allem gut zuhören konnte. Es war wohl gerade seine unaufdringliche, warmherzige, natürliche Art, die seine Kameraden berührte und ansprach.

Carlo Acutis zeigt, welche Kraft der Glaube auch heute haben kann. Er zeigt, dass die altgewordene Kirche auch ein junges Gesicht hat. Carlo hat das 2000 Jahre alte Evangelium mit den modernen Technologien verbunden und auf diese Weise Brücken gebaut, damit Alt und Neu zueinanderfinden. Er selbst bringt es auf den Punkt: „Wir kommen alle als Originale auf die Welt, aber viele von uns sterben als Fotokopien.“ Sein Beispiel kann uns ermutigen, nicht den herrschenden gottlosen Zeitgeist zu bedienen (zur Kopie zu werden), sondern den eigenen Weg zu gehen, zu suchen und tiefer zu bohren, nicht vor der Welt auf die Knie zu gehen, sondern vor Gott. Kurz: Original zu sein.