Im Fadenkreuz: Oscar Romero
Karfreitag 29.03.2024
Das Bild hängt in meiner Wohnung. Dadurch lebe ich sozusagen mit ihm. Ich sehe einen Menschen, einen heiliggesprochenen Bischof, der den Gründonnerstag, den Karfreitag und den Ostertag in seiner Person verkörpert.
Óscar Romero steht da bei einer Messe. Er hält hoch das eucharistische Brot und den Kelch. Ein rotes Messgewand, wie bei Märtyrerfesten. Und unten im Bild hochg-reckte Hände, Gewehre und Waffen. Die gespreizten Hände erinnern an Pablo Picassos berühmtes Bild Guernica, eine Klage über die
Zerstörung dieser baskischen Stadt im spanischen Bürgerkrieg. Unten in der Mitte das Fadenkreuz eines Zielfernrohrs, wie es Schützen benutzen. Und Killer, die einen Menschen umbringen wollen.
Oscar Romero, der Mann des Kreuzes Christi, im Fadenkreuz mächtiger Gegner. Ich kann seine Geschichte hier nur ganz kurz andeuten. Nur drei Jahre stand er im Licht der Öffentlichkeit. Drei Jahre – wie bei Jesus. Und in dieses Licht der Öffentlichkeit stellte er die Dunkelheiten seines
Landes: die Armut und Unterdrückung, das Unrecht und die Gewalt von oben. Das kleine Land mit dem schönen Namen El Salvador („Der Heiland“) erlebte wirklich seinen Karfreitag. Der von Natur aus eher schüchterne und zurückhaltende Erzbischof der Hauptstadt wurde zu einer mutigen
prophetischen Stimme – zur Stimme des Evangeliums.
Am 24. März 1980 feierte er abends in einer Krankenhauskapelle die heilige Messe. Als er bei der Wandlung den Kelch hochhob – mit den Worten: Das ist mein Blut! – trafen ihn von der Orgelbühne herunter die tödlichen Schüsse eines Auftragskillers. Augenzeugen berichten, dass sich der
Wein des Kelches – das Blut Christi – mit dem Blut des auf dem Boden liegenden „Blutzeugen“, des Märtyrers Oscar Romero gemischt habe.
Das ist die „intensivste“, die dichteste Messe, von der ich je gehört habe. Gründonnerstag und Karfreitag in eins! Hingabe Jesu Christi („mein Leib, hingegeben für euch“) und Hingabe eines Christen, eines Bischofs, der bewusst sein Leben lässt für sein Volk und für das Evangelium.
Ja, und Ostern gehört auch mit in diese Geschichte. Wenn heute, 40 Jahre später, in den Messen seines Landes an Romero gedacht wird, dann rufen die Leute: PRESENTE! Präsent! Anwesend! Er ist bei uns! Ja, er ist dabei, so wie Jesus Christus heute dabei ist. Presente! Auferstanden in seinem
Volk. Auferstanden und voller Lebenskraft.