Psalm eines Eritreers

23.05.2023


Amlak,
so bete ich zu Dir,
begleitet von
vielen Kreuzzeichen.
Ich sage nicht
Gott:
Das Persönlichste
spricht man
besser aus
in der Sprache der
Väter und Mütter.
Amlak –
ein Heimatwort,
ein Heimwehwort.

Was wussten wir
vom Heimweh?
Wir waren siebzehn
und wollten nur weg.
Ohne Abschied
sind wir gegangen,
ohne „Auf Wiedersehen“.
Niemand
konnte uns stoppen.
Unser Sehnsuchtsland
kannten wir nicht –
das Land der Freiheit
und des besseren Lebens.

Und da sind wir jetzt:
Wir haben Arbeit und
ein Dach überm Kopf
und zwei, drei Freunde.
Aber es fehlt
das Dach über der Seele.
Die Heimat, die Familie,
die Kultur, die trägt.

Amlak.
Wir haben dir
viel zu erzählen.
Wir danken dir
und bitten.
Und haben die Frage:
Warum sind
die Deutschen so schwach
im Beten?