Christi Himmelfahrt

Predigt am 18.05.2023


Hier ein kleiner Text zum Einstieg (Klemens Nodewald):

Einwanderungsland Himmel

Himmel – Einwanderungsland
für Menschen aller Völker, Rassen, Sprachen und Nationen

Himmel – Einwanderungsland
mit ausdrücklicher herzlicher Einladung an alle und jeden

Himmel – Einwanderungsland
für Hungernde und Dürstende nach Frieden, Wahrheit und Gerechtigkeit

Himmel – Einwanderungsland
für Heilige und Sündenböcke, Gläubige und Zweifler, Arme und Reiche

Himmel – Einwanderungsland
für alle, die einen neuen Himmel und eine neue Erde suchen –
wo Liebe bestimmt, was geschieht

Himmel – Einwanderungsland:
Wer einmal eingewandert ist, wird nie mehr abgeschoben.


Immer haben wir mit Bildern vom Himmel gelebt. Als Kind habe ich mir so eine Art Festsaal vorgestellt. Es ging sehr feierlich zu in meinem Himmelsbild, so ähnlich wie damals bei einem Hochamt in der Kirche. Engel waren da, abgestuft, ganz oben die Erzengel. Eine Hierarchie, vergleichbar mit Bischof, Priestern und Messdienern. Himmlische Musik erfüllte den Saal, die Himmelsbewohner sangen den ganzen Tag. Ja, wirklich, die Bilder waren offensichtlich geprägt von der Liturgie.

Und wie kam man hinein in den Himmel? Freier Zugang für alle? Alles andere als das! Auf jeden Fall musste man Christ sein. Am besten katholisch. Evangelisch ging vielleicht gerade noch. Himmel, das schien eine Belohnung – eine Prämie für anständiges Leben, für die weiße Weste. Für halbe oder ganze Heilige. Petrus stand am Himmelstor und kontrollierte die Eintrittskarten. Laue Christen, Kriminelle, gescheiterte Existenzen, schwere Jungs und leichte Mädchen – keine Chance! Trotz der Worte Jesu an den Verbrecher, der am Nachbarkreuz hing: Heute noch wirst du mit mir im Paradies sein! Auf die Masse der Menschen wartete das Fegefeuer, und in der Hölle – ganz klar – saßen Hitler, Stalin und Konsorten.

So ähnlich war das kindliche Himmelsbild – für mich und sicherlich viele andere. Genährt von feierlichen Gottesdiensten, vom Hofstaat der Mächtigen, von den Palästen der Könige, von den damals üblichen Moralvorstellungen: Wer darf rein, wer ist himmelswürdig, wer nicht?

Irgendwann trug dieses Himmelsbild nicht mehr. Die Leute wurden skeptisch: Was weiß man denn schon vom Himmel? Es ist noch keiner von da zurückgekommen! Die Prediger hielten sich eher zurück mit dem Thema Himmel, unter der Hand wurde Christi Himmelfahrt immer mehr zum Vatertag, in vielen Todesanzeigen lebte der Verstorbene von nun an nicht mehr im Himmel, sondern in den Herzen seiner Angehörigen weiter. Die Leute konnten oder wollten mit dem Himmel so recht nichts mehr anfangen. Er war zu weit weg. Er war kein Ort – aber was war er dann? Stattdessen zogen der Himmel und das Paradies in die Werbung ein: Himmlisch! Das war dann ein leckerer Eisbecher, bei dem der Genießende förmlich in Verzückung geriet. Paradiesisch! Das waren Urlaubsstrände in der Karibik. So wurden die Worte entleert und banal, sie zeigten nicht mehr in Richtung Gott.

Was ist für mich heute der Himmel? Wie kann ich ihn „schmackhaft“ machen für Menschen, denen die Sprache des Glaubens fremd geworden ist – also der großen Mehrheit? So, dass sie ihn, wie es im Anfangstext heißt, als „Einwanderungsland“ empfinden, das sie mit bewohnen wollen?

Das Schlüsselwort heißt für mich "Sehnsucht". „Da wohnt ein Sehnen tief in uns,“ das ist eines meiner Lieblingslieder aus dem Halleluja-Buch (170).
Dass du, Gott, das Sehnen, den Durst stillst, bitten wir.“ Eine Sehnsucht nach Gott selber, nach Ganz sein, nach Heilung wird da besungen. Jeden Morgen beim Zeitunglesen empfinde ich diese Sehnsucht. Da ist kaum was ganz in der Welt, da ist alles nur Bruchstück: wenig Gelingen, viel Versagen, kleinliches Gezänk, nur Modisches, Gewalt. Die Welt verrennt sich und weiß nicht wohin. Bis dann der Tod kommt und alles auslöscht. Und so wandert die Zeitung nach Lektüre in den Abfall – es lohnt sich kaum, irgendetwas „aufzuheben“, es ist alles flüchtig, nur „für den Tag“.

Ist es das? War das alles? Es muss doch mehr als alles geben. Augustinus, einer der großen Geister der Christenheit, bekannte schon vor 1600 Jahren: „Unruhig ist unser Herz, bis dass es seine Ruhe findet in dir!“ Es ist die Sehnsucht nach einem Halt, nach Sinn und einer letzten Geborgenheit und Ruhe, nach einem Anker, den Gott in unsere Seele geworfen und sich so in unserem Innersten „verankert“ hat. Heimat, „die uns nicht mehr abschiebt“ – mit den Worten des Anfangstextes. Heimat, aus der wir auch nicht im Sarg herausgetragen werden. Bleibende Heimat, Verankerung in Gott, unendlich weiter Raum der Liebe – das kann man wohl Himmel nennen.

Können wir dieser Himmelssehnsucht trauen? Oder ist sie nur ein Wunschtraum, eine Illusion? Ich denke, diese Sehnsucht steckt wohl in jedem Menschen. Sie gehört zu uns. Sie sagt: Es muss doch Vollkommenheit geben und nicht nur das Unvollkomme-ne. Ewigkeit und nicht bloß die davon fliehende Zeit. Das Absolute und nicht bloß das Relative! Allerdings ist diese Sehnsucht oft überlagert oder verschüttet von Enttäuschungen – und dann meldet sie sich nur noch ganz schwach und leise. Es wäre aber schon sehr seltsam, wenn Gott die Sehnsucht und das Fragen und Suchen in uns hineingelegt und uns damit geschaffen hat, ohne dass es in der Wirklichkeit ein Finden und eine Antwort gäbe. Wenn die Sehnsucht voll ins Leere liefe.

Jesus Christus, dessen Himmelfahrt wir feiern, sagt uns: Es gibt diese Antwort. Ja, der Mensch sucht Gott und den Himmel und den Sinn, aber zuvor schon sucht Gott den Menschen – voller Liebe, die Himmel und Erde verbindet. Aus dieser Liebe fallen wir niemals heraus!

Zum Schluss eine kleine Geschichte aus dem Judentum, fast zum Trost für die, die meinen, ihre Sehnsucht sei eher kümmerlich:

Ein junger Mann kam zum Rabbi und sagte: „Ich möchte dein Schüler werden.“ Der Rabbi antwortete: „Gut, das kannst du, aber sag mir: Liebst du Gott?“ Da wurde der Junge nachdenklich; er sagte: „So richtig lieben – das kann ich nicht behaupten!“ Der Rabbi sagte freundlich: „Gut, wenn du Gott nicht liebst, hast du denn Sehnsucht, ihn zu lieben?“ Der Schüler meinte: „Manchmal spüre ich diese Sehnsucht sehr deutlich, aber meistens habe ich so viel zu tun, dass diese Sehnsucht im Alltag untergeht!“ Da zögerte der Rabbi und meinte dann: „Wenn du die Sehnsucht, Gott zu lieben, nicht so deutlich spürst, hast du dann Sehnsucht, diese Sehnsucht zu haben, Gott zu lieben?“ Da hellte sich das Gesicht des Jungen auf, und er bekannte: „Genau das habe ich. Ich sehne mich danach, diese Sehnsucht zu haben.“ Der Rabbi entgegnete:
„Das genügt. Du bist auf dem Weg!“