Zweikampf: Geist gegen Ungeist

Predigt am 14.05.2023


Schon bald, in zwei Wochen feiern wir Pfingsten. Das Fest, an dem Gottes Geist geradezu überfallartig die Jünger und ihren Anhang durcheinanderwirbelt: mit Sturm und Feuerzungen.

Das ist lange her. Heutzutage gibt es bei den berühmten Umfragen Worum geht es eigentlich zu Pfingsten? immer das große Schulterzucken oder Rätselraten: Keine Ahnung! Was war da nochmal? Liegt das daran, dass „Geist“ so ein blasses Wort ist, so unanschaulich und abstrakt? Oder uns an Geister = Gespenster denken lässt?

Gerade, im Evangelium, war die Rede vom Beistand, den die Welt nicht empfangen kann, weil sie ihn nicht sieht und nicht kennt. Es ist fast so, als hätte die Bibel die Umfrageergebnisse vorhergesehen: Die Welt kennt ihn nicht. Aber vielleicht kennt die Welt den Geist und seine Wirkungen durchaus – sie nennt ihn nur anders, hat andere Worte oder Bilder für ihn.

Um den Geist ein bisschen näherzubringen, wähle ich das Wort, das in den beiden letzten Jahren am meisten in der Luft lag - das Wort „Virus“. Ein Virus der ganz anderen Art natürlich: ein Antivirus, das Gutes transportiert und bewirkt – und nicht Krankheit und Tod! Auch wenn das Wort so nicht genannt wird: es durchzieht die ganze Bibel, von der ersten bis zur letzten Seite!

Als Gott die Welt erschuf, heißt es auf der ersten Seite der Bibel: Gott sah – alles war gut! Diese Zuversicht geben wir bis heute z.B. unseren Kindern mit, wenn sie Angst haben und nicht einschlafen können: Alles ist gut! Ist das Schönfärberei, wenn wir Traurige trösten: Alles wird gut!? Oder schöpfen wir da nicht aus diesem Grundvertrauen: dass wir uns diesem Schöpfer und diesem Leben anvertrauen können?

Aber dann tritt am Anfang in der Schöpfungsgeschichte sehr schnell schon das Virus des Bösen auf, in Gestalt einer Schlange. Woher es kommt, wird nicht erzählt. Es ist da, das Böse, und fängt seine Arbeit an. Es schädigt und verdirbt die Schöpfung, und alles wird zweideutig, ambivalent. Die Welt wird zum Kampfplatz – bis heute. Die Arbeit wird mühsam (Im Schweiße deines Angesichts sollst du dein Brot essen!), selbst die Taten der Liebe können einen Beigeschmack haben, das Eigenlob: (Was bin ich doch für ein guter Mensch!), die Harmonie im Garten, in der Natur ist vorbei (die Schlange wird dich in die Ferse stechen, und du wirst ihr den Kopf zertreten).

In der zweiten Generation kommt dann das volle Hauen und Stechen: Kain erschlägt aus Neid und Zorn seinen Bruder Abel. So ist der Mensch von Anfang an: Täter – und Opfer. Die Blutspur durch die Welt beginnt. Die Gewalt ist kaum zu bändigen – siehe Ukraine.

Sie merken: So ein unsichtbares kleines Virus, oder Gen, – das des Bösen – hat eine unglaubliche Kraft. Es kann die Welt zu einem grausamen Ort machen. Das alte, ganz aus der Mode gekommene Wort Erbsünde erinnert daran. Wir sind, ohne es zu wollen, hineingeboren, hineingeworfen in diesen Viruspool der Welt, und einer steckt sich am anderen an, ohne es zu merken. Wir sind hineingeworfen z.B. in eine Welt, die ungerechte Strukturen schafft, den Riesengegensatz zwischen Reich und Arm, die Geschichte der Ausbeutung und Unterdrückung. Und wir profitieren bis heute davon, von der Armut der Armen. Wir bezahlen z.B. drei Euro für unseren Kaffee, im Grunde Schnäppchenpreise, und denken eher nicht daran, dass der Kaffeepflücker in den Tropen nur einen Hungerlohn bekommt, von dem man kaum leben kann. Die Blutspur tarnt sich ein wenig, aber die Spur der Ungerechtigkeit tritt deutlich zutage.

Gibt es einen Ausweg, eine Art „Impfung“ gegen dieses Virus des Bösen? Ja, sagt die Bibel, und sie erzählt von Jesus, der in allem uns gleich war – außer der Sünde. Auch Jesus wurde vom Teufel versucht, das Virus schlich sich an ihn heran. 40 Tage in der Wüste! 40 Tage Quarantäne! Es scheint so, als wäre er in dieser Quarantänezeit immun geworden gegen die Sünde, gegen das Lebensfeindliche, Dämonische und Böse. Die Evangelien erzählen dann von seinem Heilandsweg. In der Kraft Gottes heilt er Menschen, bringt Vergebung und weckt in ihnen die verschüttete Freude am Guten. Aber dieser Weg wird gefährlich! Die Gegenkräfte sammeln sich und bringen ihn ans Kreuz. Dieser Jesus, der selber niemals angesteckt war von der Macht des Bösen, gibt sein Leben hin. Er, die große Ausnahme, stirbt für die Menschen, nimmt die Schuld aller auf sich und dient so der Vergebung. Paulus wagt sogar zu schreiben: „Gott hat den, der keine Sünde kannte, für uns zur Sünde gemacht!“ (2 Kor 5,21) Und dieser Tiefpunkt – am Kreuz – wandelt sich zum Höhepunkt: an Ostern.

Die „Immunität“, die Jesus gegenüber dem Virus des Bösen und des Todes hatte, blieb nicht allein auf ihn beschränkt. Pfingsten werden wir das feiern: dass Er die Jünger mit einer Gabe sozusagen „impft“ und stärkt, mit dem „Antivirus“ des Glaubens, der Hoffnung, der Liebe, der Gemeinschaft mit Ihm. Kurz: Mit dem Heiligen Geist!

Der Heilige Geist wie ein Anti-Virus?

Ja, auch der göttliche Geist kann sehr ansteckend sein – wie alles Gute, das wir erfahren. Es kann uns ändern und weiterbringen. Das Vertrauen, das man uns schenkt, macht uns zu Menschen, die nicht misstrauisch die Welt beäugen. Jede Wirkung des Geistes – Friede oder Versöhnung – wirkt auf die anderen.

Ja, auch der göttliche Geist „liegt in der Luft“, wird als „Hauch“, als Atem in der Bibel angedeutet. Er braucht eine Atmosphäre der Nähe. Unsichtbar, ungeplant, ganz plötzlich ist er da, und er weht, wo er will. Niemand kann über ihn verfügen.

Ja, auch der göttliche Geist wird bekämpft. Und muss selber kämpfen – gewaltlos, fair, mit der Kraft der Überzeugung. Wahrheit muss sich durchsetzen gegen die Fake News. Das Antivirus gegen den Bazillus des Bösen. Die Welt ist Kampfplatz geblieben, von Kain und Abel an. Glaube ist kein Kuschelkurs. Aber der Geist gibt Mut und Klarheit.

Ja, auch der göttliche Geist erschüttert und verändert Menschen. Sie sehen dann die Welt anders. Auch sich selber sehen sie in neuem Licht – bildlich: im Licht der Feuerzungen. In einer Beleuchtung, die klar ist, aber nicht gnadenlos. Und sie spüren: Alles wird gut. Wir laufen nicht zu auf den Tod. Sondern auf das Leben.