Worte wie Geschenke

Predigt am 07.05.2023


Gerade haben wir Sätze gehört, die sollte man sozusagen in Geschenkpapier einpacken und als sonntägliches Geschenk mit nach Hause nehmen.

Der erste Satz, der ins Geschenkpapier gehört:
„Ihr aber – ja wirklich: IHR – ihr seid ein auserwähltes Geschlecht, ihr seid eine königliche Priesterschaft, ein Volk, das sein besonderes Eigentum wurde … ihr seid das alles, damit ihr die großen Taten Gottes verkünden könnt, der euch aus der Finsternis in sein wunderbares Licht berufen hat.“ (1 Petr 2, 9)

Ihr – oder wir – also: solch ein Satz für die schrumpfende, verängstigte, ihrer selbst nicht mehr sichere Christenheit! Ein Satz mit einem großartigen Geschenk darin. Nicht ein Geschenk, das wir dann haben wie einen Gegenstand, wie eine Pralinenschachtel oder ein gutes Buch – nein, wie ein Geschenk, das wir dann sind. Wir sind wer, trotz des ernüchternden Augenscheins. Wir sind: königliche Priesterschaft.

Wo kommt das her? Aus dem Alten Testament, dem Buch Exodus. Das Volk Israel hat sich am Berg Sinai versammelt. Der Bund zwischen Jahwe und dem Volk wird geschlossen. Mose, die Brücke zwischen beiden Seiten, übernimmt die Stimme Gottes:
„Unter allen Völkern werdet ihr mein besonderes Eigentum sein. Mir gehört die ganze Erde, ihr aber sollt mir als ein Reich von Priestern und als ein heiliges Volk gehören.“

Diese großartige Berufung und Zusage an die Juden nimmt der 1. Petrusbrief auf und bezieht sie nun auf die Christen. Sie sind jetzt Gottes auserwähltes neues Volk aus allen Rassen, Sprachen und Nationen – Volk Gottes in Rom und New York, bei den Eskimos und Afrikanern, Volk Gottes auch in Evingsen oder wo immer Sie wohnen.

In meiner Bibelausgabe steht als schüchterne Fußnote: Das ist die grundlegende Stelle zum Priestertum aller Gläubigen. Das kann man wohl sagen, und man soll es deutlich sagen: „Priestertum aller Gläubigen“ ist kein schräger oder schiefer Begriff! Das, was in den letzten Monaten auf dem Synodalen Weg besprochen wurde, hat hier seine Wurzel und Quelle. Wir alle – alle Christen – sind berufen, das Evangelium zu leben, es mit Worten und viel mehr noch mit Taten zu verkünden, einander zu stärken und zu ermutigen. Das ist eine Riesengemeinschaftsaufgabe! Zuerst also kommt das gemeinsame Priestertum aller Gläubigen, und dann erst kommt – zum Dienst an den Gläubigen – das spezielle Weihepriestertum der Bischöfe und Pastöre. Nicht umgekehrt. Dass die geweihten Priester dann in der Geschichte die Hauptrolle spielten und das Volk nichts zu sagen hatte, das war in der Bibel nicht vorgesehen! Das war eine sehr einseitige Entwicklung! Insofern sind wir heute, mit dem Priestermangel und den oft sehr kompetenten und überzeugenden Laien, dem Neuen Testament vielleicht näher, als wir das in unseren Kindheitstagen waren. Dem ganzen Volk Gottes ist das Evangelium in die Hand gegeben.

Von ganz anderer Art, aber genau so wertvoll ist der andere Satz heute aus dem Johannes-Evangelium (Joh 14,1f):
„Euer Herz sei ohne Angst. Im Haus meines Vaters sind viele Wohnungen. Wenn ich gegangen bin und einen Platz für euch vorbereitet habe, komme ich wieder und werde euch zu mir holen, damit auch ihr dort seid, wo ich bin.“

Wohl am häufigsten hört man diese Sätze auf dem Friedhof. Es sind gute Hoffnungs- und Trostworte für Trauernde. Vielleicht erreichen sie die Angehörigen, die keinen Ort mehr sehen für ihre Verstorbenen. Und die hören dann: Es gibt eine Wohnung bei Gott. Das ist eine menschenfreundliche und greifbare Formulierung, die helfen kann, dem Verstorbenen einen Ort zu geben.

Aber dieses Wort gilt nicht nur für Tote und für die Trauer um sie. Es meint auch uns in unserem Alltags- und Sonntagsleben. Mit diesem Wort ist es doch so ähnlich wie z.B. mit einem Studenten, der ein Zimmer sucht – sagen wir, in Köln, wo man sehr lange suchen und tief ins Portemonnaie greifen muss. Also, der Student sucht schon seit Monaten ein Zimmer, eine Bude, hat schon fünfzigmal telefoniert, hat sich die Hacken abgelaufen, und jetzt plötzlich klappt es: Er bekommt die Zusage für ein schönes Zimmer in einer WG. Es dauert zwar noch fünf Wochen, bis er einziehen kann. Aber wie sehr verändert sich sein Leben von diesem Augenblick an, da er seine Zusage für ein Zimmer bekommen hat.
So ähnlich ist es auch bei uns: Im Haus meines Vaters sind viele Wohnungen. Von diesem Wort Jesu her ist unser Leben anders – wie das Leben des besagten Studenten, der zwar noch fünf Wochen warten, aber nicht mehr suchen muss. Wir haben bereits eine Wohnung bei Gott. Sie ist für uns vorgesehen, freigehalten, schon hergerichtet. Wir leben zwar wie all die anderen auch, die von dieser Wohnung nichts wissen – und doch ist alles anders, alles verwandelt. Wir wissen wohin. Der Weg wird uns beschrieben: Ich bin der Weg, die Wahrheit und das Leben. Wir haben ein Zuhause vor uns. Wir werden nie obdachlos sein. Ein Dach ist da – für den Leib, und auch für die Seele.

Geht es uns damit wie dem Studenten, der seine Zimmerzusage hat und dann befreit aufatmen kann? Denn darum geht es. Wir haben schon eine Wohnung bei Gott, wir dürfen sein Geheimnis bewohnen. Wir werden nie obdachlos sein.

Das ist ein großer Grund zum Danken. Danke, Herr, dass uns so etwas von Jesus gesagt wird.