Salz der Erde, nicht Honig der Welt

Predigt am 05.02.2023


Ihr seid das Salz der Erde, sagt Jesus. Ihr Jünger, ihr Christen.
Er hat nicht gesagt: Ihr seid der Honig der Welt.
Und nicht: Ihr seid das Opium des Volkes.
Und auch nicht: Ihr seid das Sahnehäubchen auf der Torte…
Ihr seid nicht dazu da
die manchmal sehr bittere Pille „Leben“ zu versüßen.
Ihr seid nicht da zum Vernebeln, Betäuben, Verzieren, Einlullen.
Ihr seid da zum Würzen.


Liebe Schwestern und Brüder, was macht der Glaube mit uns? Was gibt er uns?
Ich spreche mit einem Brautpaar. Sie wollen in der Kirche heiraten. Das ist so feierlich, sagt die Braut. Diese Stimmung! Da kommt kein Standesamt mit. Die Orgel und die Sängerin. Die Kinder, die Blümchen streuen. Einfach alles. Das ganze Event! Da kriegst du richtig eine Gänsehaut!
Ich feiere gerne Hochzeiten mit. Auch mit solchermaßen romantischen Bräuten. Auch mit der Gefahr, dass das alles nur als „Sahnehäubchen“ bei den Leuten ankommt. Als „Gänsehaut“ bei einem festlichen Event – in der Kirche.
Ich kann nicht ausschließen und hoffe, dass die Braut trotzdem „von Gott berührt wird“. Dass Gottes Liebe ihre Liebe stärkt. Dass eine gute Ehe beginnt. Dass die Hochzeit, um mit Jesus zu sprechen, nicht nur den Honigtopf und die Sahnesprühdose bereithält, sondern mehr noch das Salzfass. Damit die richtige Würze ins eheliche Leben kommt.

Vor einer Woche verstarb ein Cousin von mir, 70 Jahre alt. Er hatte ALS, eine der tückischsten Krankheiten, die man kriegen kann. Die Steuerung der Muskeln klappt nicht mehr, er war vollständig gelähmt, brachte kein Wort mehr raus, hing lange an Sauerstoffflaschen. Nur seine Augen konnten noch „sprechen“. Nur durch Blicke konnte er einen Schreibcomputer bedienen und Worte schreiben. Die, die ihn besuchten, fanden bei ihm eine große Zuversicht, ein Gottvertrauen, einen Humor, den man nie vermutet hätte.
Das ist die Würze, die Stärke, das ist das, was der Glaube mit uns machen kann: sich wie Abraham, der Vater des Glaubens, in die Dunkelheit zu trauen, ins Unbekannte und wahrscheinlich Schwere. Und da ist kein Navi für diesen Weg. Kompass, so heißt es in einem Abrahamslied, Kompass ist das Gotteswort. Kompass ist das Vertrauen in Ihn.

Wir finden das Wort vom Salz der Erde und vom Licht der Welt in der Bergpredigt. Die Bergpredigt, dieses Herzstück des Evangeliums, atmet dieses Vertrauen: das Vertrauen in Gott und das Vertrauen in die Menschen. Und darum kann Jesus sagen: Ihr seid das Salz der Erde! Jesus traut das seinen Jüngern und uns Christen zu: Ihr seid das schon! Und nicht bloß: Ihr sollt das sein! Ihr müsst das sein! Seid also durchaus selbstbewusst – ihr habt einen großartigen Auftrag!

Salz will ausgestreut und vermischt werden. Es wirkt, indem es sich verschwendet. Es würzt, es gibt den rechten Geschmack, es verhindert Fäulnis. Bliebe es immer im Salzstreuer, dann wäre es nutzlos und überflüssig. Wenn das Salz seinen Geschmack verliert, womit kann man es wieder salzig machen? Ist das der Zustand der Christenheit heute: Salzloses Salz? Und damit kraftlos und eigentlich überflüssig? Denn das ist doch unser Auftrag: Salz in der Suppe zu sein, in der oft so faden Suppe des Lebens. Salz in der Stadt Lüdenscheid zu sein. Das Leben unserer Stadt zu „würzen“ mit Glaube, mit Hoffnung, mit Liebe. Dem Leerlauf, der Langeweile, dem „jeder für sich“, – jeder kreist nur um sich selber –, dem Egoismus und der Einsamkeit etwas entgegenzusetzen. Das Salz nicht zu horten und zu bunkern, sondern aus dem Streuer herauszulassen. Es ist nicht mein Salz. Es ist Gottes Salz in uns, seine Gabe. Seine Gabe ist immer auch für die anderen.

Heute wird unser neuer Pfarrer Claus Optenhöfel eingeführt. In einem Interview mit der Zeitung Lüdenscheider Nachrichten wurde er vor ein paar Tagen gefragt, wie man denn die Leute wieder an die Kirche binden könne. Er antwortete, es käme ihm mehr darauf an, dass die Kirche sich an die Menschen bindet. Das war „eine Antwort voller Salz“! Beten wir darum, dass die ganze Pfarrei – wir alle – mit ihm diesen Weg geht.

Ich schließe mit dem Gebet einer Frau, die um das „Salz“ bittet:
Herr, oft bin ich ganz mutlos und müde, ohne Kraft. Oft habe ich Angst vor der Zukunft und vor den riesigen Problemen unserer Zeit. Ich kann nichts tun, nichts ändern.
Du aber sagst mir: Fürchte dich nicht! Nimm das Wenige, was du hast, und teile es mit anderen. Setz dein bisschen Kraft ein, deine Zeit, dein Gebet, deine Liebe. Und das Wenige wird wachsen. Die Freude wird wachsen. Das Wenige, das du gibst und das du tust, werde ich in Segen verwandeln.
Herr, ich will auf dich vertrauen und mit deiner Hilfe rechnen. Täglich. Und darum will ich das Mögliche tun und das Unmögliche dir überlassen. Und so Salz der Erde sein.