Klaus Goße +

Predigt am 12.01.2023


Klaus Goße ist tot. Wir reden hier nicht aus der Distanz, sondern aus der Nähe, aus der Freundschaft, aus der Nachbarschaft, aus einer „Arbeitsgemeinschaft“, die seit vielen Jahren besteht. In dieser Zeit hat er uns immer wieder Grund gegeben zu einer großen Wertschätzung; ihn zu mögen fiel nicht schwer.

Beginnen wir mit seiner Geburt. Von ihr her erklärt sich vieles in seinem Leben. 1939: Er tritt in die Welt, als ein großer Weltkrieg beginnt, der in seiner Heimat Allenstein, Ostpreußen alles umkrempelt. Der Vater fällt im Krieg. Die Mutter steht allein da mit drei Söhnen Siegfried, Klaus und Hans-Jürgen. Da muss man sich durchkämpfen. 1945 der Verlust der Heimat, die Flucht in den Westen – erst nach Sylt, dann auf die Schwäbische Alb. Klaus geht aufs Gymnasium nach Sigmaringen, entdeckt die Welt der Briefmarken und hilft auf einem Bauernhof. Als er 11 ist, 1950, geht es nach Lüdenscheid, wo schon Verwandte wohnen. Erst nach Kleinendrescheid, 1955 nach Bierbaum.

Was mitgeht und bleibt, ist der starke Wille, aus der Armut und dem Mangel in der Kindheit herauszukommen – durch Fleiß, durch intensive Arbeit, durch Leistung. Beruflich arbeitet er später hart und schont sich nicht. Aber er übt keinen Druck auf andere aus, es ebenso zu halten. Er lässt jedem seine eigene Art. Zeitlebens bleibt er sparsam, repariert Altgewordenes, achtet das Kleine und Einfache. Die Wegwerfgesellschaft mag er nicht.

Was mitgeht und bleibt, ist der katholische Glaube der Ermländer, der auf den verschlungenen Lebenswegen wie ein Kompass wirkt. Sein Leben hat dadurch etwas Geradliniges. Er ist dem Glauben und dem Gottvertrauen immer treu geblieben und hat sich gerade im Alter, als er wieder mehr Zeit hatte, in der Kirchengemeinde engagiert.

Was mitgeht und bleibt, ist die Liebe zum Osten. Das Mittelmeer muss es nicht sein. Aber gern Polen, die frühere DDR, die Insel Usedom oder Ungarn. Es ist so, als würde er sich darin der verlorenen Heimat wieder annähern.

In der neuen Heimat, Lüdenscheid, schlägt er Wurzeln – beruflich und familiär. Beruflich vor allem in der Firma Schupa in Schalksmühle, wo er zum Verkaufsleiter und Prokuristen aufsteigt. Von morgens sieben bis abends sieben gehört er der Firma, ist sehr eingespannt, sehr viel auf Geschäftsreisen, häufig bei Messen und Konferenzen dabei. Die Mitarbeiter und Geschäftspartner schätzen seine Kompetenz und sein Wissen, sein sachliches und sehr zielorientiertes Handeln.
Er ist völlig frei von Arroganz, von Machtspielen, von dem Drang, den Boss hervorzukehren. Er ist sozusagen „old school“ – höflich und verbindlich, freundlich, ein feiner „Gentleman“. So habe ich ihn dann auch in der Zusammenarbeit im Kirchenvorstand erfahren.

Aber zuvor die Familie: 1969 lernt er seine Frau Ruth kennen, im Jahr drauf ist schon die Verlobung und Heirat. Die Tochter Susanne und der Sohn Alex stellen sich in den frühen 70-ern ein. 1981 wird das Haus im Reinerzer Ring zum Schauplatz des Familienlebens. Die Kinder loben die Gelassenheit des Vaters, der sie wirklich „hat machen lassen“, ohne sie zu bevormunden. Der Sohn Alex wird nachher noch erzählen von dieser Mischung aus Toleranz, Freiheitssinn, großem Herzen und Festigkeit, die den Vater auszeichnet.

Im Jahr 1999 ist es genug mit dem Beruf. In der Firma kehren neue Besen, aber nicht zum Besseren. Klaus Goße ist erschöpft und geht in die Frührente. Aber es stellen sich drei neue Stichworte ein: Garten- Ehrenamt – und später der Enkel Jordi. Sie prägen seiner Rentnerzeit.
Klaus entdeckt den Garten und damit die Verbindung von Arbeit und Entspannung. Entspannung findet er ansonsten beim Kochen, das kann er richtig gut. Das Bild, das sich von ihm einprägt: Klaus im Sessel, mit Kopfhörer, mit klassischer Musik.

Klaus entdeckt das Ehrenamt und tritt damit in einen öffentlichen Raum. Er scheut sich nicht vor der oft mühsamen Gremienarbeit einer Pfarrei und leitet in der wichtigen Zeit nach der Zusammenlegung der Gemeinden 2006 mit mir den Kirchenvorstand St. Medardus. Die Zusammenarbeit mit ihm ist höchst erfreulich und freundschaftlich. Er steht ganz im Dienst der Sache, nämlich des sehr reparaturanfälligen Kirchturms am Sauerfeld und der nicht minder porösen Josefskirche, deren Putz zur Zeit aus der Decke bröckelt. Unbeirrt ist er der Kümmerer für dieses schwierige und anstrengende Bauwerk.

Drittens entdeckt Klaus die Freuden des Großelternseins; in Köln wird der Enkel Jordi geboren und erobert das Herz des Großvaters. Er erzählt gern von dem Enkel, passt, wenn nötig, mit Ruth auf ihn auf, seine Augen leuchten, wenn es um Jordi geht. Auf dem Sterbebett geht, als der Name des Enkels fällt, ein letztes Lächeln über seine Züge.

In seiner letzten Lebensphase – im Haus Elisabeth – erlebt Klaus das Schwachwerden, Demenz und Parkinson. Seine Freundlichkeit verlässt ihn nicht. Am Tag Silvester, als Papst Benedikt stirbt, sagt er: „Ich habe keine Angst vor dem Tod!“ Im gesundheitlichen Auf und Ab der letzten Woche im Krankenhaus Hellersen setzt ein Loslassen ein. Klaus lässt los, und seine Angehörigen klammern nicht und erlauben ihm zu gehen. So schläft er am Sonntag, dem 8.1. nach dem Mittagessen friedlich ein. Und geht ein in die himmlischen Wohnungen, in denen Gott ihn sicher gut gebrauchen kann. Und wie ich ihn kenne, wird Klaus Gottes Angebote nicht ablehnen.