Brief an die heute getauften Kinder

Predigt am 13.11.2022


Liebe Johanna, liebe Lena,

jetzt versteht Ihr noch nicht, was wir sagen. Die Worte warten noch auf Euch. Aber Ihr lebt ihnen entgegen, jeden Monat ein bisschen mehr. Ihr wachst hinein. Mit der munteren Offenheit, die uns an Kindern so erfreut!

Bei uns Alten ist oft Stillstand. Wir hängen fest bei unseren Standpunkten. Bei Euch ist alles in Bewegung. Der Körper, der herumkrabbelt oder schon läuft. Der Geist, der wie eine Blüte aufgeht – Ihr lernt so sagenhaft schnell! Euer Gefühl, das schon alles Wichtige spürt: vor allem, dass ihr umgeben seid von Liebe und Zuneigung. Dass Ihr freundlich empfangen und willkommen seid in Eurem Zuhause, in Halverscheid auf dem Lande und im Luisental hier in der Stadt. Liebe ist die Luft, die Ihr atmet. Wer ein kleines Kind sieht, in seiner Wehrlosigkeit, in seinem Staunen über alles, wie kann der anders, als das Leben mit ganzem Herzen zu bejahen und sich mitzufreuen über diese 10 oder 15 kg Glück. Allem Anfang wohnt ein Zauber inne, sagt ein Dichter. Ja, Ihr bezaubert, Ihr verzaubert uns Älteren – Ihr helft uns, dass wir nicht versteinern.

Damals, im Evangelium (Mk 10,13-16) brechen Väter und Mutter auf, um ihre Kinder zu Jesus zu bringen. Wir dürfen vermuten, dass auch sie damals ihre Kinder mit Zärtlichkeit liebten. Warum dann dieser Gang zu Jesus in der Mittagshitze? Wenn es um die Liebe geht, dürften die Eltern doch genügen; elterliche Umarmungen müssten doch reichen.

Jetzt, in dieser Tauffeier, haben sich die Familien auf denselben Weg gemacht – sie gehen zu Jesus. Es ist der Weg hin zu etwas Größerem, jemand Größerem. Wir wissen um unsere begrenzte Kraft, unsere mangelnde Geduld, unsere bedrohte Zuversicht. Über diesen „Größeren“ lässt sich sagen – und einer der Taufsprüche spricht es aus: „Der Herr behütet dich vor allem Bösen. Er behütet dein Leben, dein Gehen und dein Kommen von nun an bis in Ewigkeit.“ (Ps. 121) Der andere Taufspruch, ein irisches Segenswort, geht so: „In deinem Herzen möge die Gewissheit wohnen, dass nach jedem Unwetter ein Regenbogen leuchtet.“

Ja, wenn es so aussieht, als wenn der letzte Tag angebrochen wäre, dann pack nicht alles zusammen und gib auf. Sondern pflanze noch ein Apfelbäumchen. Angesichts all der Schrecken in der Welt – und dies Jahr Eurer Geburt ist mit Schrecken bepflastert – hör nicht auf zu singen: „Von guten Mächten wunderbar geborgen…“ Dietrich Bonhoeffer schrieb das Gedicht Silvester 1944 im Gefängnis, Berlin lag schon in Trümmern, es fühlte sich an wie das Ende der Welt. Und dann diese Zuversicht.

Liebe Kinder, die Taufe helfe euch nicht nur, nette und anständige Menschen zu werden. Das ist schon viel, aber wir brauchen noch mehr. Und dieses „Mehr“ haben wir nicht aus uns selber und auch nicht als Erbteil von unseren Eltern. Gerade in dieser herausfordernden Zeit mit den vielen dunklen Wolken ist dieses „Mehr“ ganz wichtig: eine begründete Hoffnung und Zuversicht. Das ist etwas Anderes als Schönfärberei. „Schutz und Schirm“ vor dem Bösen, vor dem Tödlichen, davor, fertiggemacht zu werden oder nur „in Schmalspur“ leben zu müssen. In der Taufe wird die Welt mit ihrer bedrohlichen Seite nicht geleugnet, sie ist aber in ihre Schranken gewiesen. Weil es diese riesige Hoffnung gibt: auf Gott, auf seinen Menschen Jesus Christus, auf ein „gesegnetes“ Leben. Ein „Leben in Fülle“. Auch darauf, ein Segen werden zu können für andere.

Darum: Lasst euch später von eurer Taufe erzählen. Gebt die Zuversicht nicht auf, niemals. Und: Freut euch eures Lebens, jeden Tag neu!

Das wünscht Euch
Euer Täufer Johannes