Werbung – für den Herrn

Predigt am 03.07.2022


Was sich die Werbung heute nicht alles einfallen lässt: in Plakaten und Prospekten, im Werbefernsehen, im Internet – überall. Alles ist von Werbung durchdrungen. Aufdringlich oder unterschwellig kommt sie daher, mit hohen Werbekosten, mit schlauer Psychologie, mit ausgefeilten Strategien. Es ist schwer, sich ihr zu entziehen.

Auch Jesus hat geworben – für das Reich Gottes. Aber wie anders läuft sein Werbefeldzug! Er schickt keine Plakate und Papiere, sondern Menschen. 72 Jünger sendet er aus, sie sollen den Boden bereiten – für ihn. Sie sind die Quartiermacher, die „Zeigefinger“, die auf ihn hinweisen, auf ihn neugierig machen. Er, Jesus, wird nachkommen, er wird in den Städten und Dörfern das Reich Gottes nahe bringen. Er selbst ist der eigentliche Bote – und wird es immer sein. Ob es „zündet“, liegt nicht in unseren Händen.

Wie lässt sich sein Kommen vorbereiten? Fähnchen und Flugblätter verteilen? Plakate kleben? Eine große Bühne aufbauen?
Nein. Bei Jesus wird es geradezu eine Anti-Werbung! Wer da mitmachen will, muss schon starke Nerven haben. Oder besser: einen starken Glauben! Ein unbändiges Vertrauen!

Wie schickt Jesus die Jünger los? Er sagt: „Nehmt keinen Geldbeutel mit, keine Vorratstasche und keine Schuhe!“ Ja, was sollen sie denn mitnehmen? Nichts, buchstäblich nichts! Nur das Evangelium – das ist ihr Reichtum! Nur ihr Begeistert-Sein von Jesus. Nur sich selbst. Nur darauf kommt es an, sagt Jesus. Alles andere ist zweitrangig: der Koffer mit den Methoden, die Finanzen, die Gebäude. Darum: Nehmt nichts mit! Wenn man nichts mitnimmt als nur die Botschaft, kann man auch nichts Falsches und Ablenkendes mitschleppen.

Ja, was schleppen wir alles mit! Was häufen wir alles an! Ich z.B. habe Hunderte von Glaubensbüchern und bin froh darüber – sie laden ein zum Glauben und legen ihn dar. Aber kein einziges kann den Glauben in uns „entzünden“! Kaum einer wird durch Bücher zum Christen! Oder durch Predigten.

Und außerdem: Wenn man nichts mitnimmt, spürt man, wie man angewiesen ist auf andere. Für alles, für jeden Tag und jeden Schritt braucht man Vertrauen, Gottvertrauen. Man braucht z.B. die Gastfreundschaft anderer, sonst kommt man nicht weit. Voll Vertrauen gingen die ersten Christen ihren Weg. Sie konnten sich nicht auf Bankkonten und Versicherungen stützen. Sie empfanden das Leben als ein Geschenk. Wenn sich alles gut fügte, war das nicht „ihr Werk“ – es war ein Geschenk Gottes.

Geht, sagt Jesus zu den 72, d.h. zu allen Christen – nicht nur zu den Aposteln, nicht nur zu den Priestern und Hauptamtlichen. Geht zu den Menschen. Und wartet nicht darauf, dass die Menschen zu euch kommen. Das gilt gerade heute: Die Kirche, das sind wir, darf nicht um sich selbst kreisen. Sie hat so viele Probleme und Skandale und weiß nicht wohin. Und da sind so viele fremde Milieus und Lebensarten, die ihr nicht so vertraut sind. Da, wo sich das wirkliche Leben abspielt: etwa bei den jungen Leuten, an den „Rändern“, an den „Hecken und Zäunen“, wo einem kein roter Teppich ausgerollt wird, wo wirklich Diaspora ist, wo erstmal alles fremd ist. Geht, sagt Jesus. Und redet dann nicht große Worte! Lebt so, dass euer Beispiel anderen guttut, weil ihr zuhört und den Menschen eure Zeit und eure Aufmerksamkeit schenkt.

Bischof Paul Hinder, ein schweizer Kapuzinerpater, war bis vor kurzem der Bischof für die Christen in Arabien, besonders in den Vereinigten Emiraten, in Dubai und Abu Dhabi. Er hat darüber ein Buch geschrieben. Die Christen, einige Hunderttausende, dürfen sich öffentlich nicht zeigen, sie haben in der muslimischen Kultur keinen Einfluss und keine Stimme. Sie sind fast alle Gastarbeiter aus Indien und den Philippinen: Bauarbeiter in großen Bauprojekten, etwa Fußballstadien, oder Hausangestellte – fast immer arm und ungesichert. Aber fern von der Heimat und ihrer Familie empfinden sie die Kirche als ihre innere Heimat. Der Bischof schreibt in seinem Buch: Was ich jetzt schon erlebe, wird bald eure Situation in Europa sein: eine Kirche ohne Macht, aber vielleicht ein Ort der Gastfreundschaft, des Willkommens und der Gemeinschaft für viele, die darauf angewiesen sind.

„Ich sende euch wie Schafe mitten unter die Wölfe“, sagt Jesus. Das heißt: wehrlos, gewaltlos, unbewaffnet. Das ist alles andere als leicht, und darum haben sich die Schafe, die Christen, oft den Wölfen angepasst, haben sozusagen „mit den Wölfen geheult“ und waren nicht friedlicher als die Wölfe in der Welt. Wölfische Schafe aber bieten ein komisches Bild. Heute, wo die Christen nicht mehr in der Mehrheit sind, fällt es leichter, sich wieder auf die Rolle des Schafes zu besinnen, an das „Lamm Gottes“ zu denken, das sich selbst hingab. Die Jünger Jesu haben nichts zu verlieren, sie vertrauen auf die Kraft der Gewaltlosigkeit und des Frieden-Stiftens in einer unfriedlichen Welt. Denn das Reich Gottes ist ein Reich des Friedens, das mit keiner Waffengewalt verteidigt werden kann. Nur mit einer großen Überzeugung, tiefem Vertrauen und dem Einsatz der ganzen Person.

Eine gute Hilfe gibt Jesus mit: „Geht zu zweit!“ Als Einzelkämpfer seid ihr auf verlorenem Posten, da erreicht ihr nichts. Steht euch unterwegs gegenseitig bei. Die Sekten tun das, Mormonen oder Zeugen Jehovas kommen meist zu zweit, wir Christen haben das vergessen und rackern uns häufig allein ab, statt unsere Aufgaben gemeinsam zu zweit zu tragen. Dabei ist man doch schon zu zweit eine kleine Gemeinschaft – man kann den Frieden, den man bringen soll, zu zweit erst mal „ausprobieren“, vorleben, man kann zu zweit miteinander sprechen und beten und sich gegenseitig eine große Stütze sein.

Bitten wir Gott, dass er uns ermuntert und stärkt – für seine Ernte. Die Ernte fährt man nicht hier in den Kirchen ein, sondern unterwegs, auf den Straßen, in den Häusern, bei den Leuten – als Quartiermacher für den Herrn des Lebens.