Pferde und Menschen, reiten und heiraten

Predigt am 23.04.2022


Als ich das Brautpaar kennen lernte, habe ich mehr als je zuvor über Pferde und übers Reiten erfahren. Meine Kenntnisse waren stehengeblieben in der Kindheit, in den Fury-Sendungen des damals noch einzigen Fernsehprogramms. So kann ich mich nur höchst laienhaft der großen Leidenschaft der beiden nähern. So gut wie nie habe ich auf dem Rücken eines Pferdes gesessen - das würde inzwischen auch an Tierquälerei grenzen.

Aber dann kam mir doch der Gedanke, dass Reiten und Heiraten einiges gemeinsam haben.

Als erstes: das Königliche. Die Eleganz, Anmut und Schönheit. Könige ließen sich gerne Denkmäler errichten: Da reiten sie denn oft auf ihren Schlachtrössern – eine Einheit mit ihrem Pferd, von den Füßen des Pferdes bis zur Krone des Königs meter-hoch. Wirklich - majestätisch, königlich.

Wenn man eine Trauung in Griechenland mitfeiert, in orthodoxer Weise, dann werden diese Zeichen des Königseins, diese Kronen über das Brautpaar gehalten – es wird gekrönt! Ihr Brautleute seid wie Könige, will dieser Brauch wohl sagen. Ihr seid Kinder Gottes, von ihm geschaffen, von ihm mit großer Würde beschenkt. Und die größte Würde des Menschen ist die Gabe, lieben zu können. Das krönt und das adelt uns. Ein Königsein, das nicht in der Macht wurzelt, sondern in der Liebe.

Das zweite: das persönliche Band. Xenophon, ein Schriftsteller der alten Griechen, meinte: „Dein Pferd sei zuverlässiger Freund, nicht dein Sklave.“ Ein Dichter von heute: „Mein Pferd war immer ein vollwertiger Partner. Wir kamen miteinander aus wie Verliebte.“ (Stephen Crane) Unser Brautpaar bestätigt: Ohne wechselseitiges und „sympathisches“ Vertrauen zwischen Tier und Mensch läuft nichts – und noch weniger zwischen einem Braut- oder Ehepaar! Vertrauen ist wie das Salz in der Suppe, oder besser: wie das Fundament des Hauses: das Grundgefühl, dass man sich unbedingt aufeinander verlassen kann. Dass „die Chemie stimmt“ – ein Leben lang.

Drittens: Die Bedeutung der Pflege. Möglicherweise gibt es dafür eigenes Personal. Das ist natürlich ein einseitiges Bemühen vom Menschen her – für das Pferd: füttern, striegeln, massieren, säubern – Fell und Huf und Mähne. Das kleine Wörtchen „für“ steht aber auch über der Ehe: Für dich, füreinander. Eine gegenseitige Fürsorge. So möchte ich Treue in der Ehe verstehen. Treue ganz aktiv! Es gilt, die Beziehung zu pflegen und darin nicht nachzulassen. Was tut dir gut? Was tut unserer Ehe gut? Es ist wie bei der Blumenpflege: Wenn man das Gießen vergisst, lassen die Blumen den Kopf hängen. Wenn die Ehe nicht durchtränkt wird von Treue und Pflege und Fürsorge füreinander, lassen die Menschen den Kopf hängen. Hängende Köpfe – das wäre keine gute Haltung für Eheleute! Da kann man nicht den Blick nach vorn richten.

Viertens. In der Krise zieht einer den anderen mit durch. Selbst bei Pferden ist das möglich. Der Ritt von Hans-Günther Winkler auf seiner „Wunderstute“ Halla 1956 in Stockholm ist vielleicht noch in Erinnerung. Der Reiter hatte einen Muskelriss, es tat höllisch weh, er hing fest in seinem Schmerz, aber das Pferd trug ihn förmlich im Alleingang über die Hindernisse. Ein schönes Bild für die Ehe: Wenn’s dem einen ganz schlecht geht, trägt und schleppt ihn der andere über die Barrieren des Lebens. Mögen solche Phasen nicht allzu lange dauern!

Fünftens. Starke Gefühle aushalten, etwa im Turnier. Die Anspannung, die Aufregung, die einen aus der Routine herausreißt. Aber auch die Glücksgefühle, die Freude über den Sieg, über den ersten oder zweiten oder dritten Platz. Nun ist man nicht immer auf der Siegerstraße, auch in der Ehe nicht. Es gibt Verluste und Scheitern, Rückschläge müssen verkraftet werden. Zum „Verkraften“ braucht es Kraft, die der Partner stärken kann – durch sein Verständnis, sein Zuhören, sein Mittragen. Geteiltes Leid ist halb so schwer. Das hilft, sich nicht entmutigen zu lassen, nicht zu schnell aufzugeben, „dran zu bleiben“ in allen Mühen des Lebens.

Schließlich: die Gangart. Der Takt, das Tempo - Schritt, Trab oder Galopp. Alles möglichst im Gleichmaß. Solange wir uns im selben Takt bewegen, geht es gut. Wenn wir aus dem Takt geraten, spüren wir eine Disharmonie.
Auch in der Ehe ist es gut, das Tempo und den Takt miteinander zu teilen. Die Zeit ist so schnelllebig, die Entwicklungen überstürzen sich geradezu, beruflich wird man auf Flexibilität und Mobilität und dauernden Wandel eingeschworen. Vielleicht ist es dann gut, in der Ehe einen Ausgleich zu finden, eine ruhigere gemeinsame Gangart, die sich Zeit lässt und die den Stress nicht vergrößert, sondern bewältigt. Und die darum ein ganzes Leben lang halten kann.