Die Füße, nicht den Kopf…
Predigt am 14.04.2022
Die mittelalterliche Kirche von St. Gilles-du-Gard in Südfrankreich liegt auf dem Pilgerweg nach Santiago de Compostela. In ihr finden wir ein schönes Säulenkapitell von der Fußwaschung. Jesus beugt sich herunter, geht vor Petrus auf die Knie, greift nach dessen Fuß. So weit, so gut.
Und Petrus? Der greift sich an die Stirn. Das ist unüblich und einzigartig in der Kunst. Ich weiß nicht, ob man im Mittelalter schon das kannte, „einem anderen einen Vogel zu zeigen“: Du bist bekloppt, du bist verrückt! Wahrscheinlich hatte der Künstler das nicht im Sinn. Eher stellte
er das Wort des Petrus aus dem Evangelium dar: „Herr, wenn ich nur durchs Waschen Gemeinschaft mit dir bekomme, dann wasch mir bitte nicht nur meine Füße, sondern auch die Hände und das Haupt.“ Wasch mir den Kopf, diesen widerspenstigen Schädel, der so schwer begreift, der so dickköpfig
sein kann. Wasch meinen Kopf, mit dem ich so oft durch die Wand will. Wasch mir den Kopf, den ich manchmal förmlich verliere, so dass ich richtig kopflos bin.
Im „Kopfwaschen“ ist unsere Zeit ziemlich gut. Von den Chefs fürchtet man, sie könnten das mit einem tun – vielleicht auch vor anderen. Es wird mehr kritisiert und getadelt und gemeckert als gelobt. Meist geschieht das hintenherum. Dagegen ist dann eine deutliche „Kopfwäsche“ wenigstens
eine klare Ansage! Man weiß, wo man dran ist. Auch wenn es schwer ist.
Wer dauernd die Köpfe anderer wäscht, sollte – zum Ausgleich – das Evangelium beherzigen und es mal mit „Fußwaschung“ versuchen. Aber da käme wohl die andere, die „moderne“ Deutung der Geste ins Spiel: Fußwaschung – das ist „bekloppt“, das ist verrückt. Petrus kann erst nicht verstehen,
was Jesus da macht. Er denkt wohl: Jesus stellt mal wieder die Dinge auf den Kopf! In seiner Zeit dachte man sehr im Schema von „oben und unten“, von Herr und Knecht: Jesus ist doch der „Herr“, der Chef der Jünger! Und noch viel mehr: der Messias, der Sohn Gottes! Der soll sich
bedienen lassen – doch nicht selber dienen! Die Königin Elisabeth trägt bei einem Empfang ja auch nicht selber die Suppe auf, und der Bundespräsident spült nach dem Dinner auch nicht die leeren Gläser – dafür hat man schließlich seine Leute! Damals, zur Zeit Jesu, hatte man Sklaven im
Dienstpersonal, die waren zuständig für die Drecksarbeit, fürs Waschen der staubigen Füße z.B., mit denen die Gäste ins Haus kamen. Kein Hausherr hätte das damals gemacht. Man hätte ihn ausgelacht, man hätte ihm „den Vogel gezeigt“, ihn für einen verrückten Spinner gehalten.
Ich fürchte, dass die „moderne“ nachreligiöse Kultur Jesus in der Tat „den Vogel zeigt“, mit ihm da wenig anfangen kann, ja, ihn für ziemlich „verrückt“ hält. Jesus hat ja auch eine Menge „verrückt“, gerade gerückt an gängigen Meinungen, an der Auffassung von „oben und unten“, von
Herrschen und Dienen. Wer die Armen seligpreist, kann bei den vielen, die vor allem reich, erfolgreich und wichtig sein wollen, keinen Blumentopf gewinnen. Der Diener Jesu, Papst Franziskus in Rom, ein Freund der Armen, kriegt heftigen Widerstand ab: bitte keine „Kirche der Fußwaschung“
– der Papst wäscht ja gern Flüchtlingen und Frauen die Füße! – sondern eine Kirche der gepflegten Bürger, einer schönen ästhetischen Liturgie, gerne in Latein, die Mächtigen in der ersten Reihe, mit Glanz und Gloria.
Nein, bitte keine „Fußwaschung“. Bitte kein Gerede vom Dienen, sagen viele „moderne“ Aufsteigertypen: Wir brauchen und suchen stattdessen Steigerung und Stärkung unseres Selbst, wir brauchen Selbstverwirklichung. Wir wollen nach vorn und nach oben, wollen Karriere machen. “My person
first“! Dafür sind wir bereit, 16 Stunden am Tag zu arbeiten. Wir sind die Leistungsträger unserer Zeit. Dass wir dabei unsere Seele verlieren können, nehmen wir in Kauf. Als „Weichei“ mit sentimentalen Anwandlungen kommt man nicht nach oben. Also: Gebraucht eure Ellenbogen…
Ich halte mich da lieber an Christus. Er sagt: Lasst das mit den Ellenbogen. Gebraucht euer Herz! Ich wähle ihn – und nicht das erwähnte, vielleicht etwas überspitzte Lebenskonzept. Wie bei einer Wahl mache ich mein Kreuzchen bei ihm, bei seinem Namen, bei seinem Kreuz.
Gut also, wenn jemand sein Leben und seine Arbeit als Dienst der Liebe verstehen kann – wie Jesus das tat – und dafür alles einsetzte, und sogar sein Leben ließ!
Dienst kommt von „dienen“, und das heißt: Füreinander da sein. Den anderen „mitnehmen“ und nicht abhängen. Das Wohl vieler wollen und dazu beitragen. Das ist das viel beschworene „christliche Menschenbild“: Der Mensch als Geschöpf und „Kind“ Gottes wird den anderen zum Bruder und zur
Schwester. Nicht zum Konkurrenten, der ihm kaum „die Wurst auf dem Brot gönnt“! Nicht zum Feind, gegen den man in den Krieg zieht! Das Füreinander ist der Weg, und das Miteinander ist das Ziel. Und die Fußwaschung ist ein sehr deutliches, sprechendes, leicht „verrücktes“ Zeichen dafür.
Das Zeichen Gottes in der Welt! Genau so wie die Eucharistie, wie der Leib Chris-ti und das Blut Christi. Hingegeben für uns, vergossen für uns.