Pfingsten 2021 - Heiliger Geist in Bangui

Predigt am 23.05.2021

Wir sind im Jahr 2013, in der Welt vor acht Jahren. Und wir sind mitten im Herzen Afrikas, in der Zentralafrikanischen Republik, in einem Land, das zu den ärmsten und geplagtesten der ganzen Welt gehört. Rebellengruppen ziehen durch das Land. Die aus dem Norden sind muslimisch, die aus dem Süden eher christlich. Sie plündern und töten. Es sind meist ganz junge Kerle, 16 oder 17 Jahre alt, bis an die Zähne bewaffnet. Unberechenbar sind sie, sie genießen die Angst, die sie auslösen. So jung noch, und alle zittern vor ihnen! In der Hauptstadt Bangui sind die Mächtigen und Einflussreichen fast alle geflohen. Einer ist geblieben, der noch ganz junge Erzbischof. Er heißt Dieudonne‘ Nzapalainga und ist erst seit ein paar Monaten im Amt. Als Ordenspriester hat er immer mit den Armen gelebt und gearbeitet, z.B. mit schwer erziehbaren Jugendlichen in Frankreich. Und jetzt, im aufziehenden Bürgerkrieg, fragt er sich: Was kann ich tun?

Er tut dies: Er betet – um Kraft und Mut. Fühlt sich gerufen, lässt sich nicht lähmen von der eigenen Angst. Geht auf die Straße, geht „in die Höhle der Löwen“. Das Wort Jesu leitet ihn: Macht euch keine Gedanken, was ihr sagen sollt, - es wird euch eingegeben werden. Er geht allein, unbewaffnet – und mit einer immer mehr wachsenden Autorität redet er mit den jungen Kämpfern und Plünderern. Er sagt immer eins: Die anderen, die, die ihr töten wollt, sind Menschen wie ihr, sind Kinder Gottes wie ihr! Sie wollen leben, wie ihr!

Er tut noch eines: Er verbündet sich mit dem obersten Imam der Muslime und mit dem evangelischen Kirchenführer der Hauptstadt. Sie treten bald zu dritt auf und machen deutlich: Gott will nicht den Bürgerkrieg. Wenn Muslime und Christen gegeneinander kämpfen, hat das nichts mit Religion zu tun. Da sind andere Interessen im Spiel, vor allem wirtschaftliche. Die drei sind unermüdlich im Einsatz für den Frieden, verhandeln mit den Milizen, beschützen bedrängte Gruppen, sorgen für die Freilassung von Geiseln. Im weiträumigen Gelände des Bischofshauses lässt der Erzbischof tausende von Flüchtlingen campieren; er versteckt auch den Imam wochenlang in seinem Bischofshaus, als ihn christliche Rebellen bedrohen. Er ist sehr beeindruckt, dass der Imam dorthin nur zwei Sachen mitnimmt: seinen Koran und seine Gebetsmatte. Geld und Computer gehören nicht zu seinem Gepäck. Die drei sind Menschen, die ihr Vertrauen ganz auf Gott setzen. Und aus diesem Vertrauen und Mut heraus retten sie ihr Land, inspirieren sie den Friedensprozess, dürfen es erleben, dass der Bürgerkrieg nach etwa einem Jahr ein Ende findet.

2015 empfingen die drei Religionsführer den Aachener Friedenspreis. Papst Franziskus kam im selben Jahr nach Bangui, um dort in der Kathedrale „das Jahr der Barmherzigkeit“ weltweit zu eröffnen. Es war der passende Ort! Ein Jahr später ernannte er den 49-jährigen Erzbischof zum Kardinal. Seine Biographie ist vor kurzem in Paris erschienen – es war die Lektüre, die mich in den letzten Wochen am meisten bewegt hat.

Nun, was hat das alles mit Pfingsten zu tun, mit einer Pfingstpredigt? Der heilige Geist wurde doch bisher kein einziges Mal erwähnt! Das ist das Interessante am heiligen Geist: Er ist da und wirkt, auch wenn er nicht erwähnt wird! Die Geschichte von Kardinal Nzapalainga ist von vorn bis hinten Pfingsten pur, Pfingsten heute. Gehen wir sie noch einmal durch:

Heiliger Geist ist im Spiel, wenn einer bewusst mit den Armen lebt und arbeitet, wenn er ihnen, den ständig Benachteiligten, Gottes Nähe bringt. Das hat Jesus auch gemacht. Die Gesunden brauchen nicht den Arzt, sondern die Kranken, so hat er das gedeutet. Das ist Geist von seinem Geist.
Heiliger Geist ist im Spiel, wenn einer standhält und bleibt, wo alle fliehen und sich in Sicherheit bringen. Wo einer sich gerufen sieht und nicht vorschnell sagt: Ich bin nicht zuständig. Soll sich doch die Politik drum kümmern!
Heiliger Geist ist im Spiel, wenn einer – vor allem Tun – mit dem Beten beginnt und im Vertrauen auf Gott Kraft schöpft. Wenn er nicht ein Opfer seiner eigenen Angst wird und stattdessen einen Mut zeigt, den er sich selbst niemals zugetraut hätte.
Heiliger Geist ist im Spiel, wenn Christen sich hervorwagen aus dem geschützten Raum der Kirche und „auf die Straße gehen“ – dahin, wo die anderen sind, die Muslime, die Fremden, die Feinde – und wenn sie miteinander reden: ganz einfach miteinander reden.
Heiliger Geist ist im Spiel, wenn man in jeder Hinsicht unbewaffnet zu den Menschen geht – nicht gepanzert durch Überlegenheit, Was-Besseres-Sein oder ein dickes Portemonnaie. Wie der Imam: nur mit seinem heiligen Buch und der Gebetsmatte.
Heiliger Geist ist im Spiel, wenn man sich verbündet, zu zweit oder dritt oder viert kommt, im Team, auch mit Andersdenkenden. Allein kann man es in der Regel nicht schaffen. Und wenn man da erst mal im kleinen Kreis durchspielt, was Dialog, Respekt und Nächstenliebe leisten können.
Heiliger Geist ist im Spiel, wenn mit viel Phantasie ein Weg gegangen wird, den man im Vorhinein noch gar nicht so kennt. Wenn man ihn ausprobiert. Im Gehen erscheint der Weg, und er hat die Richtung: Frieden.
Heiliger Geist ist im Spiel, wenn Menschen „inspirieren“, wenn sie ein Werkzeug des „Spiritus“, des göttlichen Geistes sind.

Noch einmal zum Schluss der schwierige Name des Kardinals: Dieudonne‘ Nzapalainga. Der Vorname heißt auf Deutsch: Von Gott gegeben. Merken Sie sich den Namen unseres Helden. Vielleicht wird er der nächste Papst – oder der übernächste. Da wäre bestimmt der Heilige Geist im Spiel.