Der Mitgeher - 10 Gedanken zu einem Bild

Ostern 2021

1
Hand auf der Schulter: Das waren noch Zeiten! Eine „halbe Todsünde“ jetzt in der Pandemie. Die Umarmungen fehlen. Der soziale Abstand bedrückt. Der Schlager „Willst du mit mir geh’n…“ gilt nur in Familien.
Hand auf die Schulter: Lassen wir Jesus so nah an uns ran? Gerade jetzt, in Coronazeiten? Der Auferstandene hat zwar zu Maria Magdalena gesagt: „Rühr mich nicht an!“ (Joh 20,17) Aber vielleicht berührt er uns: Hand auf die Schulter, Hand aufs Herz? Komm, ich geh mit dir!

2
Grün ist die Hoffnung. Ursprünglich war die Ikone grün – wie unser Bild in Lüdenscheid. Aber das Grün ist dann abgeblättert, findet sich nur noch in kleinen Farbpartikeln: Das hölzerne Braun herrscht jetzt vor.
Kann auch die Hoffnung abblättern und weiterleben nur in ganz kleinen Resten? Die große österliche Hoffnung? Nein, sie wird bleiben! Auch wenn Hasen und Eier vollends den Auferstandenen zu verdrängen scheinen – das Licht der Osterkerze leuchtet weiter: Zeichen für neues Leben, für die Auferstehung.

3
In Taizé. Da wurde die Ikone weltbekannt. Und für mich zum Lieblingsbild. Ich verbinde sie mit der Liturgie in Taizé, mit Begegnungen und Gesprächen. Sie „krönt“ die Taizé-Erfahrung, fasst sie zusammen. Die „grüne Hoffnung“ ist nicht nur ein Wort. Sie braucht einen Ort, muss sich „verorten“. Muss konkret und anschaulich sein. Muss gelebt werden. Am besten in Gruppen und Gemeinschaften. Der göttliche Mitgeher und die menschlichen Mitgeher – das gehört zusammen.

4
Die koptische Kirche Ägyptens. Hier ist das Bild im 5. Jahrhundert entstanden. Die Kopten haben es schwer in ihrem Land. Aber das Leiden macht sie stark. 2015 ging ein Video aus Libyen um die Welt: IS-Kämpfer hatten dort 21 junge koptische Bauern, Gastarbeiter in Libyen, aufgegriffen und sie vor der Kulisse des Mittelmeeres mit dem Tode bedroht – sie sollten ihrem Glauben absagen und „Allahu akbar“ rufen. Wenn nicht, würden sie sterben. Alle 21 riefen: „Ich halte zu Jesus!“ Allen 21 wurde die Kehle durchgeschnitten. Die Kopten verehren sie nun als heilige Märtyrer. Ihr Bekenntnis zeigt, wie aktuell Ostern ist und wie stark die Hoffnung und der Mut diese Menschen beseelt.

5
Die halbierte Emmausgeschichte ist in diesem Bild. Da sind es ja zwei Jünger, unterwegs mit dem Auferstandenen in seiner Fremdheit und anfänglichen Anonymität. Hier ist es nur einer: Menas, Abt eines koptischen Klosters, in Ägypten sehr verehrt. Aber wer genau da neben Jesus hergeht, ist nicht so wichtig. Vielleicht darf man da seinen eigenen Kopf einsetzen – wenn man mit Jesus auf dem Weg ist. Wenn man sich aus der Deckung traut und wie Abraham ins Offene, ins verheißene Neuland geht – oder wie Jesus den Weg nimmt durch die Wüsten und Straßen und durch den Tod ins Leben. Nach Emmaus zum Beispiel. „Kompass ist das Gotteswort,“ haben wir früher gesungen. Scheu vor neuen Wegen sollte ein Osterchrist nicht sein.

6
Auf Augenhöhe. Das wird heute immer gewünscht und erwartet. Bloß nicht von oben herab! Bloß kein hierarchisches Gefälle! Hier ist die Augenhöhe erreicht. So wichtig sind wir Menschen dem Herrn: Freunde, nicht Knechte.
Manchmal denke ich: Die besten Bilder von Jesus sind die, auf denen er nicht allein zu sehen ist, sondern mit anderen. Menschen, die in seiner Liebe leben. Und ER, der die Liebe in Person ist, braucht das Gegenüber, das er lieben kann, ebenso. Dann ist das Bild vollständig. Und das Virus der Einsamkeit gebannt.

7
Die Hände Jesu. Sie erinnern mich an den Auftrag der Kirche: den Schatz des Glaubens (im prächtigen dicken Buch) hochzuhalten – und ihn „rüberzubringen“ zu den Menschen.
Diesen Schatz, sagt Paulus, tragen wir in zerbrechlichen Gefäßen. Die gegenwärtigen Kirchendebatten zeigen die Risse und die „Sprünge in der Schüssel“. Die Gefäße, so denken viele, sind reif für den Abfall. Aber der Schatz bleibt. Er geht nicht in den Gefäßen auf. Ihn hochzuhalten, ihn als Schatz überaus zu schätzen – und, über den Arm Jesu, freundschaftlich eine Brücke zu bauen zum anderen – das ist unser Auftrag. Und nicht bloß die Reparatur der Gefäße, der Strukturen. Vielleicht brauchen wir ganz neue!

8
Die Hände des Jüngers. Der Schatz ist in ihm angekommen. Mit der einen Hand zeigt er auf ihn - und bezeugt ihn durch sein Leben. In der anderen Hand hat er eine kleine Schriftrolle. Darauf hat er Worte aus der Bibel aufgeschrieben, die er leben kann und will, die ihm aufgegangen sind und so zum Schatz wurden. Vielleicht nur einen einzigen Satz: Liebe deinen Nächsten wie dich selbst! „Lebe das, was du vom Evangelium verstanden hat – auch wenn es nur wenig ist“, schreibt Roger Schutz, der große Glaubenszeuge aus Taizé.

9
Der Mitgeher. Weil heute alles auf Englisch sein muss: „You never walk alone.“ Da geht einer mit. Und schafft ein Füreinander. Und hört damit nicht auf und schafft ein Miteinander. Füreinander, für euch – das ist der Weg der Erlösung. Miteinander, mit euch – das ist das erlöste Leben selbst.

10
A und O ist das Gebet, Anfang und Ende. Also:
DU, Jesus Christus, Mitgeher auf allen Wegen:
im Alltag – im Gewohnten,
in der Freude – im Leid.
Du mit mir auch auf neuen Wegen,
auch ins Unbekannte.
Immer deine Hand auf meiner Schulter!
Nie allein! So kann ich leben.
Das nenne ich Ostern!