Kleine und große Verklärung

Predigt am 2. Fastensonntag 28.02.2021

Die Sonne zeigte sich in den letzten Tagen von ihrer besten Seite. Frühlingsluft weht uns um die Nase. Die Krokusse kommen heraus. „Ich kann wieder mit dem Bötchen über den See paddeln,“ mailt eine Bekannte. Und jemand anders: „Ein Freund hat gekocht und uns zum Essen eingeladen. Herrlich!“ „Wieder mit dem Fahrrad durchs Münsterland fahren – super!“, so ein dritter. Die trüben Zeiten bleiben, aber werden aufgelockert, ergänzt, rücken in ein anderes Licht. Hier und da und immer wieder ein Grund, sich zu freuen.

So etwas brauchen wir. Brauchten wir immer. Das Leben ist oft hart und eintönig. Wie können wir den steinigen Boden auflockern? Zum Beispiel mit Festen. Mit Musik und Kunst. Mit Freude an der Natur und schönen Erlebnissen mit anderen. Mit gemeinschaftlichem Zusammenstehen. Und ganz gewiss mit Glaube und Religion. Der Glaube vermittelt und stärkt in uns das Grundgefühl: Das Leben ist gut. Wir teilen dann den Blick Gottes in der Schöpfung: Und Gott sah, dass es gut war. Trotz allem! Und mit diesem Blick können wir uns selbst und anderen helfen, das Leben als gut zu erfahren. Wir können die manchmal ziemlich stillen und leicht zu übersehenden Zeichen und Signale aufgreifen und deuten, die für dieses Gutsein sprechen. Beispiel: die strahlenden Augen eines Kindes.

Strahlende Augen. In unserem Evangelium strahlt es heftig, da oben auf dem Berg! Der Lichtglanz blendet geradezu. Ein Blitzlichtgewitter ist nichts dagegen! Jesus im vollen Licht! Und die Jünger noch in der Dunkelheit. Aber auch sie werden durch das Licht verwandelt, verklärt, verändert. Und das können sie auch gebrauchen.
Stellen Sie sich mal die Lage der Jünger vor: Sie sind diesem Jesus gefolgt. Er hat ihr Herz berührt, und sie haben ihre bisherige Lebensweise aufgegeben. Ihr Familienleben – wie z.B. bei Petrus – liegt brach. Sie sind nun Menschen unterwegs, und sie leben förmlich „auf der Straße“: angewiesen auf Gastfreundschaft, auf das Wohlwollen anderer. Alles haben sie auf diese eine Karte gesetzt: auf Jesus. Und den verstehen sie oft nicht so ganz. Die Zweifel und Dunkelheiten sind nicht weg. Als Wundertäter und charismatischer Prediger, vielleicht als Volksführer, als einer, dem die Herzen zufliegen, ist er ja gut. Aber jetzt redet er oft vom Leiden, vom Scheitern, sogar von seinem Tod. Die Jünger spüren selbst die Front der Ablehnung. Die Schriftgelehrten und Männer der Religion sind nicht gut auf ihn zu sprechen. Das Establishment der Macht verbündet sich gegen ihn. Der Geheimdienst schreibt mit.

Die Jünger sind jetzt mit Jesus auf dem Weg nach Jerusalem, sozusagen in die Höhle des Löwen. Und keiner weiß, wie die Geschichte ausgeht. Petrus nicht, Jakobus nicht, Johannes nicht. Unsicherheit und ein mulmiges Gefühl der Angst ist da in der Magengrube. Mit gemischten Gefühlen gehen sie ihren Weg. Und machen einen kleinen Umweg, rauf auf den Berg. Nach oben: Näher, mein Gott, zu dir!

Was dann dort auf dem Berg geschieht, ist geheimnisvoll und kann nur in Bildern erzählt werden. Der Lichtglanz, strahlendes Weiß, zwei Gestalten aus dem Alten Testament, eine Stimme, die Wolke: eine Epiphanie, ein Erscheinen Gottes. Plötzlich berühren sich Himmel und Erde! Das kann man dann tiefstes Glück nennen. Wirklich ein Gipfelerlebnis! Eine Spitzen-Erfahrung für Jesus selbst, und für die drei Jünger. Wenn sie bisher herumgerätselt haben, wer dieser Jesus denn nun wirklich sei, wenn ihr Vertrauen sich mit Fragen und Zweifeln und Unsicherheit mischte – dann bringt diese Verklärungsgeschichte ihnen Klärung und Stärkung. Die Stimme aus der Wolke, aus der Verborgenheit Gottes sagt es: Dieser ist mein geliebter Sohn. Auf ihn sollt ihr hören! Da schwinden die Zweifel.

Himmel und Erde haben sich berührt, tun das manchmal noch heute, bei uns, in uns. Man möge sich an Gipfelerlebnisse des eigenen Lebens erinnern und sie anschauen. Da wird dann sichtbar etwas, das uns ganz überwältigt, ganz einfordert, ganz ins Herz trifft. „Es ist so schön, dass es weh tut“, sagte mal ein Freund.

Später, nach Ostern, könnten sich die drei Jünger erinnert haben, dass die Verklärung auf dem Berg eine Art Vorgeschmack, ein Vorschein der Auferstehung war und zumindest so erzählt wird. Das blendende Weiß, die Stimme, die zum geliebten Sohn steht und ihn nicht im Tod belässt: Ostern lässt grüßen.

Aber so weit sind die Jünger noch nicht. Verstehen fällt immer noch schwer, ist ein lebenslanger Prozess. Herr, lass uns drei Hütten bauen, sagt Petrus. Er möchte, dass das Glück andauert und ständig zur Verfügung steht. Der spätere erste Papst scheint schon an Bauten und Kirchen und Institutionen zu denken, wo das Heil verwaltet wird. Das göttliche Licht soll nicht bloß so kurz wie ein Blitzlicht aufscheinen. Petrus sucht sozusagen den Lichtschalter, wo man es immer wieder anknipsen und einschalten kann. Er wusste nämlich nicht, was er sagen sollte, entschuldigt ihn der Evangelist Markus. Und warnt davor, die Erleuchtung sozusagen „auf Knopfdruck“ zu erwarten, abrufbar in den drei Hütten.

Petrus, Jakobus und Johannes gehen dann mit Jesus wieder herunter ins Tal, wo die Menschen sind und das normale Leben sich abspielt. Mit vollem Herzen gehen sie wohl, wie überwältigt, mit neuen Fragen. Sie fragten einander, was das sei: von den Toten auferstehen.

Bald werden sie es erfahren. Aber zuvor finden wir die drei wieder allein mit Jesus im Garten Getsemane, in der Nacht zum Karfreitag, in seiner Todesangst. Dem Höhepunkt auf dem Berg folgt der Tiefpunkt im Garten. Sie verschlafen ihn. Sie sind nicht präsent. Zu ängstlich und müde! So sind sie, die Jünger. So sind wir, die Christen. Zeugen eines göttlichen Lichtes. Aber müde und unsicher. Angewiesen auf Stärkung, auch auf unserem Weg durch die Fastenzeit, hin zu Ostern.