Valentinstag

Predigt am 14.02.2021

Der Valentinstag ist da. Die Blumengeschäfte haben viel zu tun. Etwas Herzerwärmendes wird gefeiert – immerhin mit Bezug auf einen heiligen Bischof der Antike, Valentin: das Verliebtsein und dann die erotische Liebe, die vielleicht größte Schwungkraft des Lebens. Und eines der schönsten, aber auch zerbrechlichsten Geschenke Gottes. Etwas, das in den Kirchen viel zu selten gepriesen wird – außer bei Trauungen und eben manchmal am Tag des hl. Valentin.

In der Schule beschäftigten wir uns mit der Sprache unserer Vorfahren im Mittelalter – mit dem Mittelhochdeutschen. Und da lernten wir ein Gedicht, das so ging:

Ich bin din, du bist min,
des sollt du gewisse sin.
Du bis beslozzen in minem herzen
verloren ist das sluzzelin
des muost du immer drinne sin.


Wir waren damals so um die 16 Jahre alt, und Liebesgedichte waren nicht das Schlechteste im Unterricht: Ich bin dein, du bist mein. Da sollst du dir ganz sicher sein. Du bist verschlossen in meinem Herzen. Verloren ist das Schlüsselein, so musst du immer drinnen sein: in meinem Herzen. Möglicherweise hat damals so mancher mit seiner Liebsten auf der Parkbank gesessen (mehr war damals nicht drin!) und ihr was vom verlorenen Schlüssel vorgestammelt.

Dieses mittelalterliche Bild vom verlorenen Schlüssel erlebt in unseren Tagen eine kräftige Belebung: Wenn Sie nach Köln kommen, genauer gesagt auf die Hohenzollern-Brücke über dem Rhein, ganz in der Nähe des Kölner Doms, dann stoßen Sie auf Tausende von Schlössern, die da am Brückengeländer angebracht sind. Seit einem Dutzend Jahren ist das so. Plötzlich war der Brauch da – übrigens genau so in Paris, auf einer Seinebrücke direkt hinter Notre Dame. Liebespaare hängen also ein Vorhängeschloss auf, auf das sie ihre Vornamen eingraviert haben. Dann werfen sie den Schlüssel in den Fluss – zum Zeichen ewiger Treue. Und sagen dabei, je nach Land: For ever, für immer, pour toujours, per sempre. Sie tragen einander in ihren Herzen und bleiben darin immer zusammen, – so hoffen sie.

Und die Passanten lesen die Namen. Wer mag sich verbergen hinter „Niko und Karin“, „Jessica und David“, „Giovanni und Alessandra“ – oder inzwischen auch hinter „Sascha und Dennis“ oder „Nadine und Rebecca“? Namen stehen hier für ansonsten unbekannte Menschen, die sich hier miteinander „verewigt haben“. Und jede Geschichte ist einmalig, kein Abziehbild, nicht in Serie. Partner gravieren ihre beiden Namen ein, fügen sie zusammen, bekennen sehr diskret: Unsere jeweilige einzelne Lebensgeschichte mündet in eine gemeinsame Liebesgeschichte – auf das „und“ bzw. den Bindestrich zwischen den Namen kommt es an! Diese Tausende Namen sind nicht nur nüchterne Informationen – so heißen die Leute also! Nein, jeder Name ist wie ein Lobpreis: Du tust mir so gut! Du bist für mich so kostbar! Du bist für mich der wichtigste Mensch auf der ganzen Welt! Mit dir erlebe ich Momente, wo Himmel und Erde sich berühren. – Und darum liegt der Schlüssel zum Schloss jetzt auf dem Grund des Rheins oder der Seine.

Warum sind die Liebesschlösser so populär? Ich denke, man versteht das Zeichen auf Anhieb. Es drückt sich eine so große Hoffnung darin aus: Wir bleiben für immer zusammen. Der Schlüssel, der das Schloss wieder aufschließen könnte, liegt auf dem Flussbett. Wir machen unsere Liebe öffentlich; jeder kann unsere Namen sehen und lesen. Und wir sind nicht allein damit; Tausende Schlösser umgeben unseres. Während die Züge über die Brücke zum Kölner Hauptbahnhof rollen und die Passanten vorbeischlendern und alles in Bewegung ist, hängen die Schlösser fest und beständig da. Wir brauchen feste Beziehungen, die nicht ständig neu zur Disposition stehen – Beziehungen und Orte des Vertrauens, der Verlässlichkeit und Treue.

Und noch etwas Wichtiges: Wer die Schlösser dort aufhängt, hat den Kölner Dom im Blick. Der steht ganz nah da, noch länger und fester und beständiger. Die Kölner Band „Die Höhner“ hat mit dem Lied „Ich schenk dir mein Herz“ d e n Karnevalsschlager der Session 2010 geliefert. Da heißt es u.a.:

Schenk mir dein Herz, ich schenk dir mein's.
Es ist ein neuer Brauch,
er bringt uns beiden Glück.
So ein Schloss kann jeder seh'n,
und der Dom gibt Acht darauf.
Züge kommen und geh'n.
Ich schließe unser Schloss
am Brückengitter an,
und es ist doch nicht allein.
Gemeinsam werfen wir den Schlüssel in den Rhein hinein.“


Und der Dom gibt Acht darauf. Ein bisschen Religion ist also – wie so oft in Köln – mit im Spiel, wenn auch ganz diskret. Der Dom gibt Acht darauf, oder ähnlich die so arg geschundene Kathedrale Notre Dame in Paris. Gott selber gibt Acht darauf! Denn der zarten angreifbaren Pflanze der Liebe tut es gut, wenn ein Schutz da ist, wenn einer da ist, der selbstlos Acht drauf gibt. Gott hat die Liebe erfunden, hat sie in die Welt hinein erschaffen. Er hat nicht nur Liebe im Übermaß – er ist Liebe. Ich denke, er freut sich, wenn er die Schlösser auf der Brücke sieht. Und ich freue mich auch und denke: Wie nah ist das zu dem, was in jeder Trauung passiert.