Mehr als ein bisschen Wasser: Die Taufe

Predigt am 10.01.2021

Jedes Jahr werden in unserer Pfarrei so etwa 70 bis 80 Kinder getauft. Fast immer sind es Babys, kleine Kinder. Es lohnt sich, vorher die Eltern zu besuchen und mit ihnen darüber zu sprechen, was wir da eigentlich tun.

Bei einem Taufgespräch war die Oma dabei, der Täufling war schon über zwei, und die Oma seufzte glücklich: „Jetzt wird aus dem Thomas ja endlich ein Gotteskind!“ Und dann setzte sie noch nach, mit mahnendem Blick zu den Eltern: „Bis jetzt war es ja ein Heidenkind!“ Und dann schaut man sich den kleinen lebhaften Strahlemann an und denkt: War das nicht schon von Geburt an ein Gotteskind? Es wäre doch gar nicht auf der Welt, wenn Gott es nicht gewollt hätte! Liebte Gott den ungetauften Thomas etwa nicht?

Gar nicht so einfach, die Taufe richtig zu verstehen! Gerade im Tagesgebet hieß es: „Wir, die wir durch die Taufe wiedergeboren sind ...“ Wiedergeboren? Da ist so ein kleines Kind gerade mal ein paar Monate auf der Welt! Kaum geboren, und schon „wiedergeboren“? Lieber Gott, was mag das heißen?

Oder es heißt, und wurde lange sehr betont, dass in der Taufe „die Erbsünde, die Erbschuld abgewaschen wird“. Was mag das bedeuten, und welche Schuld ist erblich?

Also eine ganze Menge Fragen! Manches ist leichter zu verstehen, wenn wir uns klarmachen: Die ersten Christen, die ersten, die von der Taufe sprachen, kamen ja in der Regel als Erwachsene zum Glauben. Sie hatten sich bekehrt, sie traten nun in etwas Neues ein, in die lebendige Beziehung zu Jesus Christus. Und da leuchtet dann das Wort von der Wiedergeburt, der „zweiten Geburt“, ganz anders ein! Der Apostel Paulus z.B. begreift: Mein bisheriges Leben lief in die falsche Richtung! Bisher hatte er versucht, sich Gottes Liebe mühsam zu erarbeiten, wie das bei den Pharisäern so war. Jetzt spürt er, wie sie ihm durch Jesus Christus geschenkt wird. Gott schenkt sich uns, er wartet auf uns – das ist die große Wende im Leben des Paulus, und an diesem Wendepunkt lässt er sich taufen. Später schreibt er im Philipperbrief: „Ich lasse alles, was hinter mir ist, zurück. Ich betrachte als „Unrat“, als „Mist“, was mich bisher umgetrieben hat. Ich strecke mich aus nach dem, was vor mir liegt. Ich fange ein neues Leben an!“ Er nennt das denn auch: „Mit Christus auferstehen zu einem neuen Leben“. Da stirbt also etwas Altes, und Neues steht auf. Der Tod spielt hinein und die Auferstehung. Auferstehung bedeutet hier: Tiefe Verbundenheit mit Jesus Christus. In dieser Verbundenheit besteht das „neue Leben“, das ewige Leben, das auch der leibliche Tod nicht zerstören kann. Die Liebe ist stärker als der Tod.

Zurück zu den Kindern. Die Kirche hat auch sie schon früh getauft, oft zusammen mit der ganzen Familie. Man sagte: So wachsen sie von Anfang an in den Glauben hinein. Oder: So zeigt sich doch ganz schön, dass der Glaube wirklich ein Geschenk, eine Gnade ist – und nicht nur etwas für Leute, die sich auskennen und sich bewusst entschieden haben. Aber auch vom Baby hat man nun gesagt, alle Schuld sei von ihm genommen. Welche Schuld? Das Baby hat ja noch nichts Böses getan. Nein – es ist etwas anderes: eine Schuld, die sozusagen „von Adam und Eva an“ wie ein Virus, wie eine Pandemie in der Luft liegt und die Menschheit infiziert hat. Mir leuchtet das sehr ein. Ich würde allerdings lieber von „Verstrickung“ sprechen. Es ist eine tiefe Unordnung in der Welt, eine Ungerechtigkeit, die wir alle vielleicht gar nicht wollen, in der wir aber mit drinhängen, oft ohne darüber nachzudenken. Wir kaufen z.B. billig den Kaffee – für etwa 3 Euro – und übersehen, dass der Kaffeepflücker in Afrika oder Lateinamerika bei solchen Preisen nur einen Hungerlohn verdient. Wir leben auf Kosten anderer und profitieren von ihrem Elend. Wir wollen das wahrscheinlich gar nicht. Aber wir „hängen mit drin“ in dieser Welt, in der alles miteinander vernetzt ist und die Habgier der einen das Elend der anderen verstärkt und die Schöpfung verdirbt. Diese Ungerechtigkeit ist fern von Gott. Gott will sie nicht. Gott hält dagegen. Wer nun Christ wird und sich taufen lässt, soll ebenfalls „dagegenhalten“. Er soll zusehen, wie er die Gerechtigkeit fördern und stärken kann. Mit den Worten der Bibel: Er soll sich dem Heiligen Geist zur Verfügung stellen. Jeder Christ ist berufen zu einem Leben, das nicht von Gott abgespalten und abgetrennt ist, – zu einem Leben, das in Gott gründet und die Bosheit in der Welt überwindet.

Vielleicht ist das Evangelium von der Taufe Jesu der beste Einstieg in das, was Taufe meint. „Der Himmel öffnete sich, und der Geist kam, und eine Stimme sprach: Du bist mein geliebter Sohn!“ Hören wir das als eine große Zusage Gottes auch für uns und für die Kinder von heute! Sie leben vielleicht noch im Jahr 2100, sie sind noch ganz am Anfang, und niemand weiß, was kommt und passieren wird. Aber über dieser ganz unbekannten Zukunft steht seit der Taufe das Wort: Du bist mein geliebter Mensch – Sohn oder Tochter! Du lebst unter dem geöffneten Himmel!

Gott sagt: Ich bin da – für dich. Er verspricht nicht: In deinem Leben bist du auf Rosen gebettet, alles wird bestens laufen. Er ist kein Gott, der ein angenehmes Leben garantiert. Er verspricht vielmehr: Nichts in eurem Leben – wirklich nichts, auch nicht der Tod – kann euch trennen von meiner Liebe zu euch!

Ein junger Vater erzählter mir einmal bewegt, er habe von der Taufe seines Kindes nur einen einzigen Satz behalten, aber den für immer. Er sei ja gefragt worden: Sind Sie bereit, zu diesem Kind zu stehen, wohin auch immer sein Weg führt? Und da habe es ihn richtig durchfahren, dass er dann ja so eine Art „Stellvertreter Gottes“ sei für sein Kind. Auch er, der Vater, spreche dann wie Gott: Ich bin immer da für dich und gehe mit dir durch „dick und dünn“, egal, was kommen mag. Da erst habe er zutiefst gespürt, was ein Vater ist. Und er habe auch geahnt, was Kirche ist und sein kann: eine Gemeinschaft, die aus Gottes Liebe und Treue lebt.

Das alles zu spüren und zu ahnen, könnte heißen, mit dem geöffneten Himmel zu leben.