Gott bezahlt mit großen Scheinen

Predigt am 20.09.2020

„Gott hat kein Kleingeld – er bezahlt mit großen Scheinen.“

So beschreibt Jesus den göttlichen Vater. Wenn er vom Himmelreich erzählt, d.h. von den Verhaltensweisen, die bei Gott gelten, dann spüren wir: Es geht anders zu als bei uns. Verschwenderisch großzügig! Der Arbeiter der 11. Stunde, der um 5.00 Uhr nachmittags noch loslegt, kriegt den gleichen Lohn wie der, der seit 6.00 Uhr morgens im Weinberg ist. Das wird nicht nur die Gewerkschaften aufregen! Der „gesunde Menschenverstand“ sträubt sich dagegen, das Gefühl für Gerechtigkeit. Aber es wird auch Leute geben, die erfreut aufhorchen: „Wie gut! Dann habe auch ich eine Chance!“

Ein Denar – das ist der gleiche Lohn für alle in diesem Gleichnis. Bedingungsloses Grundeinkommen, könnte man aktuell sagen. Jeder das gleiche! Damals konnte eine Familie mit Ach und Krach für einen Tag von einem Denar leben. Sagen wir: Zwei, drei Euro. Das ist auch heute der Tagessatz für Millionen arme Leute in Afrika. Wäre der Tagelöhner der letzten Stunde prozentual korrekt bezahlt worden, hätte er 20 Cent bekommen. Davon kann er gerade mal einen Apfel kaufen. Korrekt bezahlt könnte er nicht überleben. Sie merken, wie die normale Lohngerechtigkeit der Tarifverträge hier nicht reicht und die himmlische Großzügigkeit auch uns heute – gerade den Armen auf der Erde – guttun würde. Den Armen und den Sündern, denen verschwenderisch Vergebung angeboten wird, nicht kleinlich aufrechnend. Oder denken Sie an das Gleichnis vom verlorenen Sohn: Der kommt nach seinem Lotterleben und Ruin zurück nach Hause und wird vom Vater großzügig ausstaffiert: ein Ring an den Finger, ein Mastkalb geschlachtet, ein großes Freudenfest mit Musik und Tanz – zum Leidwesen des älteren Bruders, der das alles mit Neid verfolgt und sich denkt: So etwas habe ich nie geboten gekriegt.

Der ältere Bruder mit seinem Neid und Groll ist Jesus fremd. Jesus verkündet die Gnade. Seine Gegner verstehen ihn nicht, zu selbstgerecht sind sie, zu – gnadenlos. Am Kreuz hängend bringt Jesus seine Botschaft von der großzügigen Gnade noch einmal auf den Punkt. Zu dem einen mitgekreuzigten Verbrecher sagt er: „Heute noch wirst du mit mir im Paradies sein!“ Heiligsprechung eines Verbrechers! Das war nicht mal die elfte Stunde – das war sozusagen „Fünf vor zwölf“! Für die Gnade ist es nie zu spät. Selbst nicht auf dem Sterbebett. Selbst nicht am Kreuz! Die Letzten können die ersten sein.

Sind diese alten Spannungen aus der Zeit Jesu heute noch aktuell? Ja; aber unter anderen Namen. „Anspruchsdenken“ ist so ein anderer Name. „Das steht mir zu! Ich hab' mich nicht umsonst krumm gelegt! Da habe ich einen Anspruch drauf!“ Vor dem Himmelreich brechen alle Ansprüche zusammen: „Also, wenn einer es verdient hat, in den Himmel zu kommen, dann doch wohl ich!“ Im Ernst wird keiner so reden, aber vielleicht mancher klammheimlich so empfinden: er hätte – wegen seiner großen Verdienste – Anspruch auf eine Eigentumswohnung im Himmel. Aber so läuft das nicht! Denn: Gott liebt uns, nicht, weil wir so gut sind, sondern weil Er gut ist. „Wenn mir mein Leben als Christ gut gelingt“ – dann, weil Gott mir die Kraft dazu gab. „Wenn ich im Leben scheitere und so ziemlich alles schief geht“ – dann hoffe ich, dass Gott seine Möglichkeiten hat, wo meine zu Ende sind – auch Fünf vor Zwölf – siehe der gute Schächer am Kreuz.

Viele Eltern und Großeltern machen sich Sorgen um die jungen Leute, die so ganz andere Wege gehen. Sie könnten sich das immer wieder sagen: Meine Möglichkeiten sind zu Ende, aber deine, Gott, fangen gerade erst an! Meine Wege sind nicht deine Wege, wie es in der Lesung heißt.

Großzügiger Gott – schade, dass man ihn nie so anspricht! Weil Gott großherzig ist, verlieren sich manche Verkrampfungen und lösen sich viele Ängste – so die Angst, immer perfekt sein zu müssen und ja nichts falsch zu machen. Weil Gott großherzig ist, weitet sich das eigene Herz und kann alles Kleinliche, Kleinkarierte, Geizige und Engstirnige hinter sich lassen. Ein weites Herz weiß um die Freiheit: Weil Gott großherzig ist, will er uns als freie, selbstständige Menschen – und nicht am Gängelband.

Wie stellen wir uns am besten auf einen großherzigen Gott ein? Indem wir z.B. in der Kirche daran arbeiten, alles kleinliche und engstirnige Denken und Rechnen zu überwinden. Die Kirche wird dann immer kleinlich und eng, wenn sie Angst hat vor der Welt, wenn sie Mauern hochziehen will, wenn sie ihre eigenen Interessen mehr im Blick hat als unseren Gott, wenn sie nicht mehr wirklich auf Ihn vertraut. Die Kirche wird großherzig, wenn sie Gott in seiner Großzügigkeit erkennt und preist und feiert.

Ja, feiert. Das Feiern ist eine gute Einübung in Richtung „weites Herz“. Im Feiern pflegen wir Gemeinschaft, sprechen miteinander, essen und trinken, genießen die guten Gaben Gottes, singen vielleicht, entspannen uns, und unser Herz weitet sich, wird „lockerer“, kann sich sogar zu Gott hin erheben: Empor die Herzen! Wir spüren dann: Das Leben ist mehr als alltägliche Plackerei, das Festliche krönt unser Leben. Immer wieder hat Jesus von Festen und Festmählern erzählt, um das Himmelreich anzudeuten. Eine Feier, nämlich die Messfeier, ist das zentrale Treffen der christlichen Gemeinde – nicht eine Arbeitssitzung mit viel Papier, nicht eine Diskussionsveranstaltung – sondern eben eine Feier!

Eine ebenso wichtige Einübung in Richtung „weites Herz“ ist die Caritas. Wir dürfen unser Herz nicht eng halten mit Slogans wie: Jeder ist sich selbst der Nächste, oder: Geiz ist geil. Ein weites Herz geht an den Armen nicht vorbei, an den Armgemachten. Nicht „jeder ist seines Glückes Schmied“ – auch so ein unglücklicher Slogan! Die meisten landen in der Armut, weil sie wenig Chancen haben und der Arbeitsmarkt sie kaum braucht. Ein weites Herz ist auch ein bescheidenes Herz – es weiß, dass uns oft nur eine große Portion Glück oder Gnade davor bewahrt hat, selber abzustürzen und in der Armut oder im Scheitern zu landen.

Danken wir also Gott für alle Gnade in unserem Leben, für alles unverdiente Glück. Die Dankbarkeit ist der beste Herzöffner – und der beste Grund zum Feiern!