Ehe als Tanz
Predigt bei einer Trauung am 18.07.2020
Wer diese Brautleute kennt, weiß: Sie tanzen gern, leidenschaftlich gern. Das war auch das erste Stichwort, das sie mir für ihr Leben gaben. Sie haben sich sozusagen in Richtung Ehe
hingetanzt! Die erste Bewegung aufeinander zu – das waren Tanzschritte, 2013, vor sieben Jahren, im Studium, bei einem Tanzkurs. Für die Braut waren mehrere potentielle Partner im
Angebot, sie hatte die Qual der Wahl, und sie wählte die zeitlich letzte Bewerbung, ihren heutigen Mann. Der näherte sich ihr im Understatement – ja, die Grundschritte bekäme er
hin. Sie erfuhr erst danach, dass er ein echter Profi war, seit Jahren schon Mitglied in einem Tanzverein.
Da ich nun aus verschiedenen Gründen vom Tanzen wenig Ahnung habe, haben mir die beiden einige Stichworte mitgegeben. Die Frage war: Kann es sein, dass der Tanz ein Bild, ein Symbol für die
Ehe ist? Ja, meinen wir nun alle drei – es fängt ja schon mit dem Wort Partner an. Schade, wenn da jemand nicht "aufgefordert", sitzen gelassen, übersehen wird. "Es ist nicht gut,
dass der Mensch allein sei," kann man da mit der Bibel, mit der Schöpfungsgeschichte sagen. Adam braucht die Eva. Zwei Partner finden sich, ein Paar bildet sich. Und los geht es, ins Tanzen
hinein, in die Beziehung hinein. In die Nähe hinein.
Nähe bildet sich ja beim Tanzen. Zwei Menschen sind sehr nah beieinander. Die Körper sind "im Kontakt". Sie entwickeln eine "Körpersprache", die erstmal fast ohne Worte auskommt. Wenn
es gut läuft, werden Leib und Seele zu einer Einheit, zielen beide in Richtung Nähe, in Richtung Liebe. Diese Richtung überdauert wohl hoffentlich die Coronazeiten, wo es ja immer um
Abstand und Distanz ging. Die 1,50 m bzw. 2 Meter-Abstandsregelung ist ja für Paare wohl nicht gerade ideal.
Tanzen heißt Bewegung. In meiner Jugend nannten wir den Klammerblues "rhythmisches Stehen" – man kam kaum von der Stelle, war anderweitig beschäftigt. Normalerweise ist es anders
– man legt im Laufe eines Abends sicher viele hundert Meter, wenn nicht ein paar Kilometer zurück.
Bewegt ist auch die Ehe, nicht Stillstand. Nicht auf der Stelle treten. Sondern Entwicklung, Bewegung, ein Weg, gemeinsam. Oft mit Ausdauer und Geduld. Vor wenigen Tagen habe ich eine Diamantene
Hochzeit mitgefeiert – 60 Jahre Ehe, rar wie ein Diamant, und: leuchtend, funkelnd wie so ein Edelstein. Was für eine Ermutigung geht davon aus: Ja, es ist möglich und schön, so
viele Jahre miteinander zu gehen – im altersgemäßen Tempo.
Ja, das ist beim Tango wie in der Ehe wichtig: das Tempo miteinander teilen. Schwierig, wenn der eine wie ein Windhund wäre und die andere wie eine Schnecke, die nicht mitkommt. Im gleichen
Takt und Rhythmus sein, schreiben die beiden. Sensibel Hinweise des anderen spüren für den nächsten Schritt. Achtsam und konzentriert sein – und Rücksicht nehmen. Und sie
sparen auch nicht die Frage der Dominanz aus, die nicht ständig nur bei einem liegen soll: Führen und folgen. Führen lassen und vertrauen. Sich dem anderen überlassen und
anvertrauen, auf ihn reagieren, sich auf ihn einstellen. Nicht nur auf dem Tanzboden, sondern z.B. auch in der Küche.
Die Liste ließe sich noch verlängern. Jetzt bricht der Pfarrer in mir durch, der sich fragt: Gehört das Tanzen denn als Thema in die Kirche, in eine Predigt? Und antwortet: Ja, und
wie! Mein Kronzeuge dafür ist Augustinus, der in jungen Jahren ein richtiger Draufgänger war, ehe er ein großer Bischof und Kirchenlehrer und Heiliger wurde. Ich fand bei ihm dieses
Zitat:
Ich lobe den Tanz,
denn er befreit den Menschen/von der Schwere der Dinge
und bindet den Vereinzelten zur Gemeinschaft.
Ich lobe den Tanz,
der alles fordert und fördert
Gesundheit und klaren Geist
und eine beschwingte Seele.
Der Tanz fordert
den befreiten, den schwingenden Menschen
im Gleichgewicht aller Kräfte.
Ich lobe den Tanz.
O Mensch, lerne tanzen,
sonst wissen die Engel
im Himmel mit dir
nichts anzufangen.
Schön, wenn sich das in Ihrer Ehe ausdrückt, was Augustinus da andeutet – die Lebensfreude, die Leichtigkeit und manchmal Ausgelassenheit, das Spielerische und nicht nur der "Ernst
des Lebens": die "beschwingte Seele".
Tanzen ist, kann sein: ein "Lobpreis Gottes mit den Füßen". Davon handelt die abschließende Geschichte.
Ein Gaukler zog tanzend und singend von Ort zu Ort, aber eines Tages wollte er mehr und entschied sich für das Klosterleben; schweigend und betend wollte er dort den Rest seines Lebens
verbringen. Doch die ernsten und angespannten Gesichter der Mönche machten ihn bald traurig und höhlten ihn aus. Schließlich hielt er es nicht mehr aus, und während die anderen
beim Chorgebet waren, zog er sich in eine Waldkapelle zurück und fing an zu tanzen – wie früher. Er tanzte die kühnsten Tänze, und er tanzte sie zur Ehre Gottes. Tanzen war
seine Weise, Gott zu loben! Er tanzte so lange, bis ihm der Atem ausging. Durch Zufall hatte der Abt davon erfahren und ihn heimlich durchs Fenster beobachtet. Am nächsten Tag ließ er den
Bruder Gaukler zu sich kommen. Zerknirscht stammelte dieser: "Ich weiß, dass ich ein schlechter Mönch bin. Ich passe nicht in euer Kloster. Anstatt beim Chorgebet dabei zu sein, habe ich
getanzt. Ihr habt Recht, wenn ihr mich rauswerft. So werde ich denn wieder auf die Straße gehen!" Doch da verbeugte sich der Abt vor dem Gaukler, umarmte ihn und sagte: "In deinem Tanz hast du
Gott mit Leib und Seele gelobt. Dein Herz war voller Freude. Und als ich dir zusah, spürte ich, dass auch ich fröhlich und heiter wurde. Es kommt nicht darauf an, wie du dich vor Gott
ausdrückst; du hast gezeigt, was dein Herz fühlt. Und das ist ein Vorbild für uns alle!"
Liebes Brautpaar, machen Sie es wie der Gaukler: nicht gerade im Kloster, sondern in Ihrer Welt. Ein Lobpreis auf Gott und auf das Leben, mit Ihren Füßen!