Gott ist "Wir"

Dreifaltigkeitssonntag 07.06.2020

Dreifaltigkeit. Ein Wort wie ein Gebirge. Es geht steil hinauf. Man atmet Höhenluft. Große Gedankengebäude tun sich da auf, immer leicht über unsere Köpfe hinweg. Glaube, der den Gläubigen denn auch kompliziert erscheint, mysteriös. Nein, nicht drei Götter. Sondern ein Gott in drei Personen. Wie viel leichter scheinen es da die Muslime zu haben: Allahu akbar. Ein Gott, und der ist groß! Das kapiert man schnell, dieses Glaubensbekenntnis ist eingängig. Aber es kann auch zur Kampfparole werden – zum Ruf, der Millionen Menschen schnell vereint.

Und wir Christen, mit unserer Dreifaltigkeit? Das muss ständig erklärt und ausgelegt werden, dicke Bücher wurden darüber geschrieben, und das Ergebnis heißt immer: Es ist ein Geheimnis! Zu groß für unseren Verstand! Zu hoch für unsereins! Diese göttliche Mathematik: Drei in eins. Und: Woher will man das wissen? Wer hat Gott so in die Karten geschaut? Und was bringt das ein für unser Leben? Das, was gleich in der Präfation dieses Sonntags gebetet oder gesungen wird: Du bist Gott nicht in der Einzigkeit einer Person, sondern in den drei Personen des einen göttlichen Wesens. Alles klar? Haben Sie es schon mal Ihren Kindern erklärt?

In diesem Jahr sieht meine Erklärung – dank Corona – so aus:

Es gibt viele Menschen, die in den letzten Monaten am Alleinsein gelitten haben. Geselliges war kaum möglich. Jeder saß in seiner Bude. Allein mit seinen Gedanken. Gott sei Dank ging manchmal das Telefon. Das war eine wichtige Brücke zur Welt. Aber bezeichnender waren Bilder wie die Senioren im Altenheim, die durch eine dicke Glasscheibe getrennt ihre Lieben draußen sahen. Sie hatten noch Glück. Viele sahen niemanden. Die Omas nicht ihre Enkel. Keine Umarmung, kein Kuss, kein Zeichen der Nähe.

Das ist eine Erfahrung dieser Monate: Alleinsein kann einen plötzlich überfallen. Man wird zum ziemlich "abgeschlossenen Menschen". Und deutlich bewusst wird dann, was man entbehrt: Gemeinschaft, Beziehung. Den Anderen. Die Liebe. Wir waren, stärker als sonst, auf uns selbst zurückgeworfen. Wir erfuhren, mehr als sonst, das Ich und, weniger als sonst, das Wir. Die Formen des Wir – Gemeinden, Vereine, Gruppen, Chöre, Orchester, Mannschaften, Teams, konnten nicht zusammenkommen. Und die Familien auch nur in Schrumpfform.

"Du bist sicher ganz schön einsam da oben!", heißt es in einem der berühmten "Kinderbriefe an den lieben Gott". Einsam wie viele Menschen, die niemanden haben. So denken nicht nur Kinder. So denken ganze Kulturen. Und das Gottesbild sieht dann so aus: Der einsame Monarch auf seinem Thron da oben, in riesigem Abstand zu uns. Der Schöpfer, Gesetzgeber, Richter. Und tief unten das Gewimmel der Menschen.
Übrigens: Worte, die mit Mon- oder Mono- anfangen, kommen vom Griechischen her; monos heißt da "allein". Der Monachos (Mönch) lebt allein. Im Monolog redet einer allein. Der Monarch regiert allein. Der Monotheismus hält sich an einen Gott, der im Grunde ganz allein und ohne Beziehung ("ohne Familie", z.B. ohne Sohn) ist. Und dieses Alleinsein kann ziemlich monoton, eintönig sein. Oder einfarbig, schwarz-weiß.

Und die Dreifaltigkeit? Stellen wir sie uns wie ein bewohntes Haus vor. Da ist Leben drin – der Vater, der Sohn, der Heilige Geist –, da geht Beziehung hin und her. Das ist bunt, da braucht man einen Farbkasten. Vor allem: Da ist Liebe drin! Diese Liebe dringt nach außen, aus dem Haus heraus. Sie läuft über, wie ein Topf überlaufen kann. Im Evangelium klingt das so: Gott hat die Welt so sehr geliebt, dass er seinen Sohn hingab. Aber bevor es hinausgeht in die Welt, in die Schöpfung, wird die göttliche Liebe sozusagen im Haus erstmal erprobt und lebendig: Ich und der Vater sind eins, sagt Jesus. Der Schweizer Dichter und Pfarrer Kurt Marti spricht sehr schön von der "geselligen Gottheit".

Sie merken: Da entsteht im Christentum ein etwas anderes Gottesbild. Kernwort ist die Liebe: Gott ist die Liebe, und das Wort Dreifaltigkeit umkreist sozusagen diese göttliche Liebe. Und wenn da drei Personen im Austausch sind, im Dialog, in Beziehung, in Hingabe, dann kann vom Gottesbild her auch unser christliches Leben so werden! Dann haben wir in der Dreifaltigkeit ein Modell vor Augen – dann wird Gemeinschaft, Kommunion, Freundschaft, Dialog, Einheit ganz groß geschrieben. Das ist wie ein Weckruf – heraus aus dem Alleinsein! Der geselligen Gottheit folgt dann eine gesellige Menschheit. In der ist die Gottesliebe mit der Nächstenliebe und Selbstliebe unlösbar verbunden.

Vielleicht haben einige unter Ihnen Schwierigkeiten mit dem Begriff der "Person". Vor allem beim heiligen Geist. Ist der nicht eher eine Kraft? Eine Art "Vitaminspritze des Glaubens"? Bei einer Person gehen wir halt immer vom Bild des Menschen aus; wir stellen uns automatisch einen Körper vor. Gottvater und der heilige Geist sind aber körperlos. Aber in der Theologie, im Nachdenken über den Glauben, wird mit "Person" vor allem verbunden: Bewusstheit, Wille, Vernunft, Gedächtnis, Gewissen, Würde, und vor allem: Liebe! Das macht uns zu Personen! Das sind die Spitzeneigenschaften! Wenn Gott Gott ist, wird er das doch mindestens auch alles haben. Sonst wäre er ja unter dem Niveau des Menschen. Er ist mindestens Person, oder besser: Überperson. Aber dafür fehlen uns die Worte.

Zum Schluss empfehle ich Ihnen, ein wenig noch auf das Dreifaltigkeitsbild in unserer Kirche zu schauen. Ja, es ist der Tabernakel. Der Vater und der Sohn sind sich ganz nah und eins, sie umarmen sich. Und in dieser Liebe entsteht ein Zwischenraum, der Raum der Liebe, der Raum des Geistes, in dem die Erde geborgen ist. Der ganze Globus. Und wir auf ihm.