Was kommt danach?

Predigt am 26.04.2020

Was kommt danach? fragt sich so mancher in diesen Wochen. Wie sieht die Welt - zumindest meine Welt - in ein, zwei Jahren aus? War Corona nur eine lästige Unterbrechung, und danach läuft alles wie zuvor? Oder geht die Welt, gehen wir, verändert aus dieser Zeit hervor?

Was kommt danach? fragten sich die Jünger in jenen fernen Jahren, als etwas passierte, das wir "Ostern" nennen. Wie sieht die Welt, unsere Welt, in ein paar Jahren aus? War das Kreuz und der Tod Jesu das Ende einer Illusion, das Ende der verrückten Hoffnungen, die wir hatten? Und jetzt läuft alles wie zuvor? Oder gehen wir, geht die Welt, verändert aus diesen Ereignissen hervor?

Sie sehen: da läuft etwas parallel. Die Corona-Zeit und die damalige erste Osterzeit haben etwas gemeinsam. "It is shocker time", rief damals mein Professor für Neues Testament aus, als er uns die Stimmungslage nach dem Tod Jesu beschreiben wollte. Schockzeiten. Da fließt die Zeit nicht gleichmäßig dahin, da ist es wirklich alles andere als langweilig, da gärt es und bahnt sich was an, das man oft erst im Nachhinein richtig erkennt. Manche sprechen da von Endzeit, was nicht heißt: Ende der Welt. Sondern: Zeit, in der alles auf dem Spiel steht. Zeit als ganz intensive Herausforderung.

Die haben wir jetzt. Wir planen und müssen so vieles absagen - Hochzeiten, Feste, alle Gemeindeveranstaltungen - und wissen nicht, wann wieder "normales Leben" eintritt. Wird es wieder normal? Oder bleibt ein Grundgefühl des Bedroht-Seins, das unser Planen durchkreuzt? Dass die Welt vielschichtiger und mächtiger ist als unsere sogenannte Normalität? Dass große Störungen immer drohen? Dass wir im Ungewohnten leben und die Verhältnisse nicht "im Griff" haben? Und dass wir sehr aufeinander angewiesen sind, weltweit? Dass sich unsere Schwerpunkte verschieben - vielleicht auch unser Lebensstil?

Nachdenken bleibt angesagt, bei all diesen Absagen. Früher habe ich öfter gedacht: Es müsste mal ein "Moratorium" geben, eine große Unterbrechung, eine richtige Denkpause. Dass wir nicht einfach weitermachen in der immer gleichen Routine und dauernden Sitzungen, sondern den Fluss der Dinge unterbrechen. Um nachzudenken, um neue Wege zu finden. Um das, was wir erleben, wirklich gründlich zu bedenken.

In der Corona-Zeit läuft einiges in dieser Richtung. Messfeiern waren kaum möglich. Da haben manche Leute "die Kirche zuhause" wiederentdeckt und kleine "Hausgottesdienste" gefeiert. Kirche also: zuhause und nicht bloß im Kölner Dom mit seinen Fernsehmessen! Selber tun - und nicht bloß warten, ob der Pastor oder der Bischof was tut: Das wird für die Zukunft der Kirche immer wichtiger! Eine Frau, die ich gut kenne, hat am Gründonnerstagabend einen Korb gepackt mit Brot und Wein darin und einer Bibel und guten Texten, hat sich mit zwei, drei Freundinnen im Sicherheitsabstand getroffen, und sie haben dann eine Art Abendmahlsandacht gefeiert, irgendwo im Grünen. Die Not lehrt nicht nur zu beten, sondern auch zu feiern - und den kleinen Rahmen auszufüllen, der uns bleibt.

Damals, in Jerusalem, lief manches ähnlich. Mit einem riesigen, dem entscheidenden Unterschied: Corona schafft vor allem Unheil und Zerstörung. Ostern schafft Heil und Versöhnung! Aber da muss man erstmal draufkommen! Die Jünger Jesu waren nach der Kreuzigung schwer verstört. Die Erscheinungen des Auferstandenen konnten sie nicht richtig fassen - wie denn auch? Es brauchte Zeit, um zu verstehen. Im Gebet, im Gespräch, im Deuten der Erfahrungen, in der Meditation, dem ins Herz gehenden Nachdenken. Und so wuchs der Glaube, dass Jesus lebt. Dass er lebt auf neue Weise, als der Auferstandene. Und so wuchs eine Zuversicht, eine Hoffnung, die bis heute zu den tiefsten Schätzen gläubiger Menschen gehört.

Das Evangelium (Jo 21, 1-14) erzählt anschaulich und dabei hoch symbolisch von diesen ersten Schritten, von diesem "Danach". Das Neue ist erstmal das Alte: harter Alltag im selben Beruf: beim Fischen auf dem See. Die Jünger haben nicht die Koffer gepackt für Missionszüge in fernen Ländern. Sie sind nach Galiläa zurückgegangen, in die Heimat. Sie machen weiter, wie bisher. Auch bei uns, hier und heute und morgen, wird nicht alles total anders sein.

Es kommt noch schlimmer: Kein Erfolg. Leere Netze, trotz der günstigen Fangzeit, der Nacht. Alles umsonst! Dagegen hilft auch kein Hallelujasingen. Eine Erfahrung der Kirche von Anfang an: Du hast es nicht in der Hand. Kaum ein Fisch im Netz! Gähnende Leere, Ohnmacht.

Und jetzt kommt ein wichtiger Satz: Im Morgengrauen stand Jesus am Ufer. Aber sie erkannten ihn nicht - immer noch nicht! Haben die Jünger, haben die Kirchen die Rechnung "ohne den Wirt" gemacht? Ohne Jesus? Die Fischerei: Blinder Aktionismus? Das Kirchenleben: Reine Routine? Nur Lippenbekenntnisse? Ohne Ihn? Er steht da am Ufer, und man lässt ihn stehen? Sehen wir ihn am Ufer, am Horizont, in der Nähe oder in der Ferne?

Hier ist Jesus in Rufnähe. Sein Wort ist da. Es zählt jetzt. "Werft die Netze noch einmal aus," das ist sein Auftrag. Obwohl der Morgen eine ganz schlechte Zeit ist für den Fischfang! "Ja, auf dein Wort hin wollen wir das tun," sagt Petrus in einem anderen Evangelium. Auf dein Wort hin ...

Und das wird dann die Zeit der Kirche sein: mit diesem Wort Erfahrungen zu machen. Auf sein Wort hin wieder neu zu beginnen. Auf sein Wort hin etwas zu wagen. Auf sein Wort hin "Menschen zu fischen" und das eigene Herz mit an die Angel zu hängen. Auf sein Wort hin zu vertrauen - weil wir mit Gottes Möglichkeiten rechnen und uns nicht von den menschlichen Unmöglichkeiten blockieren lassen. "Geht nicht, gibt's nicht," ist ein sehr bibelnaher Satz! Sei mutig, mach wie Petrus da im See einen Kopfsprung, einen "Köpper" ins Ungewohnte, zieh dich nicht ängstlich zurück. Denn Jesus steht am Ufer, ganz in der Nähe, und später sitzt er mit am wärmenden Kohlenfeuer, noch näher dabei, in kleiner Runde - wie wir heute -, und die paar Jünger teilen mit ihm Brot und Fisch.

Und nun wussten sie, dass es der Herr war. Sie hatten sich auf ihn eingelassen und mit ihm Herrliches erlebt.

Auf dein Wort hin – damals in der ersten Osterzeit.
Auf dein Wort hin – heute unter Corona-Verhältnissen.