Ostern
Osterpredigt am 12.04.2020
Ein sehr stilles Ostern in diesem Jahr! Fürs laute Halleluja fehlen die Leute. Selbst der Papst in Rom, der sagt, er fühle sich wie in einem Käfig, feiert die Messe fast allein. Seine
Worte werden zwar in alle Welt übertragen, aber die erlebte Gemeinschaft - der Mensch neben dir - ist nicht da. Manche tun sich wohl in ganz kleinen Kreisen zusammen, zu zweit oder dritt oder
viert, hygienisch einwandfrei. Sie beten oder singen zusammen, sie bilden da eine "Hauskirche" und spüren vielleicht die Kraft des Wortes Jesu: Wo zwei oder drei in meinem Namen zusammen sind,
da bin ich mitten unter ihnen.
Aber ganz klein waren ja wohl auch die ersten Feiern, 30 oder 40 oder 50 Jahre nach Christus. Keine Öffentlichkeit! Kein großes Drumherum! Nur Brot und Wein in der Mitte. Ein paar Leute.
Und Worte, von denen das Ganze lebte. Gebete. Worte im Mittelpunkt, wie: Jesus lebt! Erfahrungen, die für diese frühen Christen wegweisend wurden - ja, das Wichtigste in der Welt! Und die
Herzen brannten.
Wir sind in diesem Frühjahr 2020 den Ursprüngen wieder nähergekommen - den schlichten Anfängen unseres Glaubens. Das konnten wir nicht ahnen. Das ist eine wirkliche
Überraschung! Bei allen Härten und Riesenproblemen und Katastrophen, die das Virus mit sich bringt - wir sind wieder deutlicher mit der Frage beschäftigt, die uns vielleicht weithin
entglitten ist: Worauf kommt es an? Was ist wirklich wichtig im Leben?
Ganz Altvertrautes kommt jetzt wieder neu in den Blick: Zeit haben. Hilfsbereit sein. Menschen vermissen - und sie dadurch neu schätzen. Warten können, Geduld. Ein Buch lesen, musizieren.
Improvisieren, mit dem Ungewohnten leben. Mit weniger auskommen. Die Natur wahrnehmen. Und vieles andere mehr. Vielleicht auch: Wieder anfangen zu beten. Neu Gott wahrnehmen, der uns diese Frage ins
Herz gelegt hat: Worauf kommt es an?
Neu in den Blick kommt das Leben. Wenn alles glatt und rund läuft, ist das Leben keine Frage. Erst der Tod und die Krisen, Ängste und Sorgen machen das Leben zur Frage.
Und da ist es gut, dass wir jetzt Ostern feiern. Da wird die Frage auch gestellt, da wird eine Antwort von Gott her gegeben - Auferstehung -, und diese Antwort dürfen wir feiern. Mit Pauken und
Trompeten, mit voller Orgel und festlichem Essen, wie es sonst immer möglich war. Dieses Jahr eher mit einer stillen Freude.
Oder noch besser: Ostern - gerade jetzt!
Meine österliche Lichtgestalt ist in diesem Jahr Dietrich Bonhoeffer. Sie kennen ihn: den Theologen und evangelischen Pfarrer, den wachen Mann des Widerstands gegen Hitler, den Gefangenen im
Gefängnis in Berlin. Zu Silvester 1944 schreibt er da das Gedicht: Von guten Mächten wunderbar geborgen. Im Gefängnis, mit der Aussicht auf Hinrichtung! Gut ein Vierteljahr später,
am 9. April 1945 wird er im KZ Flossenbürg aufgehängt - genau vor 75 Jahren. Ein Spielfilm über ihn zeigt am Schluss die Szene, wie Bonhoeffer auf den Galgen zugeht. Ein SS-Offizier,
also ein Gegenspieler, flüstert ihm noch hämisch zu: "Das ist das Ende!" Bonhoeffer antwortet ruhig: "Nein!"
Nein - nur ein einziges Wort! Ein unglaubliches Bekenntnis des Widerstands! Dieses Nein sagt uns ohne viele große Worte, in Kurzfassung, was Ostern ist. Nein - nicht das Ende! Nein, ich breche
nicht zusammen, ich kippe nicht um. Nein - nicht das Ende, sondern das Ziel! Bonhoeffer hat in seinen letzten Aufzeichnungen im Gefängnis einen berühmten Satz geschrieben: "Wer Ostern
kennt, kann nicht verzweifeln!" Und jetzt, im Zugehen auf seinen eigenen Tod, lebt er diesen Satz: Er verzweifelt nicht. Er geht auf Gott zu. Ein unfassbares Vertrauen! Ein Wissen, dass Gottes Liebe
unser Ziel ist - die Ewigkeit.
Manchmal weiß ich nicht so sicher, was das alles bedeutet: Ostern mit seinem leeren Grab. Was ist damals historisch genau passiert? Es gibt ja kein Polizeiprotokoll der Kripo Jerusalem. Aber
dann denke ich an Leute wie Bonhoeffer, die aus österlicher Hoffnung und dem Glauben an die Auferstehung leben und sterben konnten. Die Ostern bezeugt haben mit Mut und Zuversicht! Und ich sehe:
Ostern hat seine Kraft nicht verloren; Ostern geht weiter, in solchen Menschen, in solchen Zeugen. Geht weiter auch durch unsere Zeit und in die Zukunft hinein. Bonhoeffer hat auch geschrieben:
"Jesus ruft nicht zu einer neuen Religion, sondern zum Leben!" Ja, zum Leben, zum Leben in seiner ganzen Fülle und Schönheit - und zum Widerstand gegen alle Mächte, die das Leben
bedrohen und verneinen. Zur Verantwortung für das Gute. Für das Leben.
Noch ein paar letzte Sätze von Bonhoeffer, wahre Ostersätze für heute: