Verklärung

Predigt am 08.03.2020

"Der Berg ruft!", sagen Bergsteiger, Leute wie Reinhold Messner, die immer wieder hoch hinaus müssen. Den Lockruf der Berge hat auch Jesus gespürt - nicht aus sportlichen, eher aus "familiären" Gründen: er wollte auf Bergen Gott, dem Vater nahe sein. Näher, mein Gott, zu Dir!

Die drei Jünger, die er mitnimmt, erleben auf dem Berg wunderbare Augenblicke: "Und er wurde verklärt vor ihnen, und sein Angesicht leuchtete wie die Sonne, und seine Kleider wurden weiß wie das Licht." Für eine kurze Zeit, wie in einem Blitzlicht, ist er nicht mehr nur der Jesus, wie sie ihn kennen, sondern zeigt sich ihnen in seiner Herrlichkeit als Sohn Gottes. Wie schon bei Jesu Taufe liefert Gottes Stimme aus den Wolken die Deutung: "Dies ist mein lieber Sohn, an dem ich Wohlgefallen habe; den sollt ihr hören!" "Den sollt ihr hören", das hatte Gott seinem Volk immer wieder gesagt und dabei auf die Propheten gewiesen, auf Mose und Elia. Dass die drei Jünger nun in ihrer Vision genau diese beiden neben Jesus sehen, Mose und Elia, das will ihnen zeigen: Was die Propheten angekündigt haben, das hat jetzt begonnen! Jetzt ist er wirklich da, der versprochene Messias und Retter! Für einen kurzen Augenblick ist für Petrus, Jakobus und Johannes alles klar: Gott ist in Jesus auf der Erde erschienen, und die Jünger sehen ihn im strahlenden Licht der Klarheit. Diesen wunderbaren Moment, in dem er sozusagen hinter die Dinge schaut, möchte Petrus am liebsten festhalten: "Herr, hier ist für uns gut sein!" Er möchte Hütten bauen, um dieser tiefen Gemeinschaft Dauer zu geben. Das darf doch nicht wieder vorbei sein!

Ja, das gibt es: solche Augenblicke, wo man Gottes Gegenwart ganz unmittelbar erlebt, sie fast leibhaftig zu spüren glaubt. Wo man mit allen Fasern seiner Seele erfährt: Jetzt hat er mich erwischt. Jetzt hat er mich berührt! Und ich habe gar nicht damit gerechnet, Das kam wie "ein Blitz aus heiterem Himmel", ganz unerwartet! In der Küche, wie Teresa von Avila sagt: "Gott ist gegenwärtig auch zwischen Kochtöpfen!" Oder im Kino. Im Kinderzimmer. Oder, immer noch, in der Kirche. Oder, wie im Evangelium, auf dem Berggipfel.

Das kann man erleben. Muss man aber nicht zwingend. Es waren ja auch nur drei der zwölf Jünger, die bei der Verklärung Jesu dabei waren. Die anderen bekamen es nur vom Hörensagen mit. Und dennoch ist diese Begegnung für Petrus, Jakobus und Johannes nicht nur herrlich und wunderbar. Sie sind zwar auf dem Gipfel der Gefühle, erleben eine Sternstunde, aber gleich darauf fallen sie zu Boden und fürchten sich sehr. Menschen mit diesem direkten Bezug zu Gott spüren dabei auch, wie wenig sie zu diesem heiligen Gott passen. Wie groß der Abstand ist. Gottes Nähe erleben zu dürfen, das kann wunderbar und schmerzhaft zugleich sein.

Und dann hören die Jünger die Stimme Jesu, der zu ihnen kommt, sie berührt und sagt: "Steht auf und fürchtet euch nicht!" Das heißt: Ihr braucht euch nicht zu fürchten, weil ihr Sünder seid und euch für unwürdig haltet. Ihr könnt aufstehen, weil ich vom Tod auferstehen werde und euch dadurch neu mit Gott verbinde.

Das ist wirklich ein Wort geblieben auch für uns, für unseren Alltag, für unsere Schwierigkeiten: "Steh auf und fürchte dich nicht!" Bibelexperten haben herausgefunden, dass dieser Zuspruch "Fürchte dich nicht!" genau 365-mal in der Bibel steht, sozusagen einer für jeden Tag des Jahres.

Vielleicht nennt Matthäus deshalb nicht den Namen des Verklärungsberges. Da soll kein Wallfahrtsort entstehen: Hier war es, hier zeigte sich Gott. Denn Gott ist an keinen Ort gebunden! Nur seine Stimme zählt: "Auf ihn sollt ihr hören!" Seine Stimme im Evangelium. Die Gläubigen sollen sich also nicht auf besondere spirituelle Gipfelerlebnisse und fromme Highlights konzentrieren, sondern auf das schlichte und klare Wort Jesu bauen! Und so heißt es: "Als sie aber ihre Augen aufhoben, sahen sie niemand als Jesus allein." Auf ihn allein zu hören, das ist fortan das Einzige, was für Christen zählt - und zwar bis heute.

Und nach dem Hören folgt das Gehen. Nachdem es am Anfang hieß: "Der Berg ruft!", heißt es jetzt: "Runter vom Berg!" Die Jünger müssen wieder runter vom Berg, zurück zu den Menschen. Dorthin, wo sie gebraucht werden. Zu den anderen Jüngern und zur Volksmenge. Nach dem Gipfel, den man manchmal braucht, nach der Stärkung, die so guttut, wieder zurück ins Tal. Ins Tal des Alltags und unserer Aufgaben. Aber gestärkt, belebt und verändert.

Wer mit Jesus auf dem Gipfel und in seinem Licht stand, der kann diese Glaubenserfahrung, dieses klärende Licht im Herzen mitnehmen Der kann dann dunkle Täler für sich selbst oder für andere ausleuchten und durchschreiten. Auch Krankheiten und andere Formen der Not. Und darf hoffen, dass Jesus mitgeht - durchs Tal, durch den Alltag, durch die Arbeit und die vielen Beanspruchungen. Jesus ist der große Mitgeher. Und er zieht langsam weiter zum nächsten Berg. Der heißt Golgota! Da gibt er sein Leben hin. So zeigt er, wie grenzenlos seine Liebe ist, wie unbedingt und unbeirrt sein Mitgehen. Es ist so, als hätte der Psalmendichter schon vor 3000 Jahren Jesus im Blick gehabt: "Muss ich auch wandern in finsterer Schlucht, ich fürchte kein Unheil, denn du bist bei mir. Dein Stock und dein Stab geben mir Zuversicht!"

Jeden Sonntag können wir von vielen Kirchtürmen her das Läuten der Glocken hören: "Der Berg ruft!" Jesus will uns in seinem Wort begegnen, hier in der Kirche. Und danach heißt es dann wieder: "Runter vom Berg", zurück zu den Menschen, zu den anderen. Zum ganz realen Leben.

Und Jesus geht mit.