Zurück aus Kerala

Predigt am 26.01.2020

Ich bin gerade aus Kerala, aus Südindien zurückgekommen. Natürlich will ich hier keinen Reisebericht geben. Aber einiges, was ich erlebt habe, passt doch zum heutigen Evangelium (Mt 4,12-17).

Das Auto, das mir in Kerala zur Verfügung stand, hatte hinten einen Aufkleber, den man immer wieder sieht: Kerala, God's own country. Kerala, Gottes eigenes Land. Wann kann ein Land das von sich sagen - Gottes eigenes Land zu sein?

Sicher gehört dazu die überwältigende Natur. Alles grün, alles fruchtbar! Aus meinem Schlafzimmer schaute ich auf ein Stück Urwald. Nein, sagte mein Gastgeber. Das da ist ein Baum, der liefert Pfeffer. Und der daneben Kardamom. Und dort wachsen Papayas, und daneben wird Gummi, Kautschuk aus dem Baum geholt. Und dann sieh die Bananenbüschel. Und darüber die großen Palmen, mit Kokosnüssen, aus deren harter Schale wir Öl gewinnen. Was für ein Reichtum und eine Vielfalt, wenn man genau hinschaut!

Und dann die Menschen! Sie sind nicht arm, und sie sind nicht reich. Sie spielen im Mittelfeld. Zu ihrem Reichtum gehört der höchste Grad an Bildung in ganz Indien. Unzählige Schulen werden von Nonnen und von der Kirche getragen. Kerala kann Priester und Nonnen in großer Zahl "exportieren": allein im Bistum Münster arbeiten mehr als hundert Priester aus Kerala. Die verschiedenen Religionen - Hindus, Muslime und Christen - leben in guter Nachbarschaft zusammen. Alle Menschen des Landes tragen einen starken religiösen Bezug in sich. Es ist eben God's own country!

Das Land liegt so weit entfernt, so abgelegen, so am Rand unseres Bewusstseins, dass man es mit dem damaligen Galiläa vergleichen kann. Und diesem Galiläa in seiner wenig bedeutenden Randlage galt das Wort des Propheten Jesaja: Das Volk hat ein helles Licht gesehen. Denen, die im Schattenreich des Todes wohnten, ist ein Licht erschienen.

Die Keralenser sind überzeugt davon, dass der Apostel Thomas, der "Ungläubige", vor zweitausend Jahren bei ihnen landete und das Licht des Evangeliums brachte. Den Glauben gibt es dort seit ältesten Zeiten, nicht erst durch die Missionierung der Neuzeit. Und er ist lebendig geblieben!

Am letzten Sonntag feierte ich in der Bischofsstadt Trichur die Sonntagsmesse in einer Gemeinde mit. Der Erzbischof von Trichur war übrigens in den 90er Jahren in Lüdenscheid gewesen, um vier junge Schwestern einzukleiden, die damals in Hellersen die Krankenpflege lernten. Die Kirche war gerammelt voll; mehr als die Hälfte junge Gesichter - Kinder und Jugendliche. Sie sangen alle aus Leibeskräften in ihrer Sprache Malayalam, die unglaublich schnell gesprochen wird. Und man spürte die Vitalität des Glaubens, die dort lebt: vielleicht auch nicht mehr ungebrochen angesichts der Modernität, die auch in Kerala spürbar ist. Familien haben nicht mehr wie früher acht Kinder, von denen dann zwei oder drei Priester und Nonnen werden. Auch hier hat die Zeit der Zwei-Kinder-Familien begonnen, und die wollen meist Computerfachleute werden. Nach der Messe wurden vor allem die älteren Leute in den Pfarrsaal geladen, um kostenlos kleine medizinische Dienste in Anspruch zu nehmen: Blutdruck messen, impfen, und ähnliches. Das passte alles gut zusammen: Leib- und Seelsorge! Und das Jesuswort im Evangelium ebenfalls: Das Himmelreich ist nahe!

Im Evangelium holt Jesus dann seine ersten Jünger von den Netzen weg. Sie waren Fischer. Das Fischerleben konnten wir an der Küste gut verfolgen. Harte Arbeit! Am Strand der uralten Hafenstadt Kochin, wirklich ein Schmelztiegel der Nationen und Kulturen, sind einzig in der Welt riesige Fischernetze ausgespannt. Die Mechanik ist kompliziert. Sechs Fischer müssen sich kräftig in die Seile hängen, um große schwere Steine herunterzuziehen, damit die Netze gehoben werden. Zur Ermutigung singen sie dabei laute Lieder. Ich durfte da eine Viertelstunde mitmachen - das ging wirklich in die Arme! Wie gesagt: Harte Arbeit! Harte Arbeit - wie das Menschenfischen heute. Die Netze hängen bei uns in der Kirche vielleicht zu hoch - oder zu niedrig. Wir wissen es nicht so richtig. Gott allein weiß es. Und nur im Vertrauen auf ihn kann man immer wieder hinausfahren und muss dabei, wie Adolf Kolping sagte, sein Herz an die Angel hängen.

Der Schluss des Evangeliums: Jesus zog umher, lehrte in den Synagogen (selbst in Kerala gibt es noch einige davon, aus alten Zeiten), verkündigte das Evangelium vom Reich und heilte im Volk Krankheiten und Leiden. So kann die Saat aufgehen. Wie in Kerala, God's own country.