Was einem in der Taufe geschieht

Predigt am 07.01.2018

Jedes Jahr werden in unserer Pfarrei so etwa 100 Menschen getauft. Fast immer sind es Babys, kleine Kinder. Es lohnt sich, vorher mit den Eltern nachzudenken, was wir da eigentlich tun.

Bei einem Taufgespräch war die Oma dabei, der Täufling war schon über zwei, und die Oma seufzte glücklich: "Jetzt wird aus dem Thomas ja endlich ein Gotteskind!" Und dann setzte sie noch nach, mit mahnendem Blick zu den Eltern: "Bis jetzt war es ja ein Heidenkind!" Und dann schaut man sich den kleinen lebhaften Strahlemann an und denkt: War das nicht schon von Geburt an ein Gotteskind? Es wäre doch gar nicht auf der Welt, wenn Gott es nicht gewollt hätte! Liebte Gott den ungetauften Thomas etwa nicht?

Gar nicht so einfach, die Taufe richtig zu verstehen! Gerade im Tagesgebet hieß es: "Wir, die wir durch die Taufe wiedergeboren sind..."; Wiedergeboren? Da ist so ein kleines Kind gerade mal ein paar Monate auf der Welt. Kaum geboren, und schon "wiedergeboren"? Lieber Gott, was mag das heißen?

Oder - es heißt - und wurde lange sehr betont, dass in der Taufe "die Erbsünde, die Erbschuld abgewaschen wird". Was mag das bedeuten und welche Schuld ist erblich?

Also eine ganze Menge Fragen! Manches ist leichter zu verstehen, wenn wir uns klarmachen: Die ersten Christen, die ersten, die von der Taufe sprachen, kamen ja in der Regel als Erwachsene zum Glauben. Sie hatten sich bekehrt, und da leuchtet dann das Wort von der Wiedergeburt, der "zweiten Geburt", ganz anders ein! Der Apostel Paulus z.B. begreift: Mein bisheriges Leben lief in die falsche Richtung! Bisher hatte versucht, sich Gottes Liebe mühsam zu erarbeiten, wie das bei Pharisäern so war. Jetzt spürt er, wie sie ihm durch Jesus Christus geschenkt wird. Gott schenkt sich uns, er wartet auf uns - das ist die große Wende in seinem Leben, und an diesem Wendepunkt lässt er sich taufen. Später schreibt er im Philipperbrief: "Ich lasse alles, was hinter mir ist, zurück. Ich betrachte es als "Unrat", als "Mist", was mich bisher umgetrieben hat. Ich strecke mich aus nach dem, was vor mir liegt. Ich fange ein neues Leben an!" Er nennt das denn auch: "Mit Christus auferstehen zu einem neuen Leben". Das wäre also nach Paulus, dem ersten Denker über die Taufe, die "Messlatte": Verbundenheit mit Jesus Christus. In dieser Verbundenheit besteht das neue Leben, das ewige Leben, das auch der Tod nicht zerstören kann. Die Liebe ist stärker als der Tod.

Zurück zu den Kindern. Die Kirche hat auch sie schon früh getauft, oft zusammen mit der ganzen Familie. Man sagte: So wachsen sie von Anfang in den Glauben hinein. Oder: So zeigt sich doch ganz schön, dass der Glaube ein Geschenk, eine Gnade ist und nicht nur etwas für Leute, die sich auskennen und sich bewusst entschieden haben. Aber auch vom Baby hat man nun gesagt, alle Schuld sei von ihm genommen. Welche Schuld? Das Baby hat ja noch nichts Böses getan. Nein, es ist etwas anderes. Man nennt es Erbsünde, - etwas, das sozusagen "von Adam und Eva an" wie eine Vergiftung durch die Menschheit geht. Mir leuchtet das sehr ein. Ich würde allerdings lieber von "Verstrickung" sprechen. Es ist eine tiefe Unordnung in der Welt, eine Ungerechtigkeit, die wir alle vielleicht gar nicht wollen, in der wir aber mit drinhängen, oft ohne darüber nachzudenken. Ein deutliches Beispiel: Wir gehen in den Supermarkt und kaufen ein Pfund Kaffee für, sagen wir, 2,99 Euro. Gäbe es ein Pfund Kaffee zum noch günstigeren Schnäppchenpreis 2 Euro, so würden ihn sicher viele vorziehen. Je preiswerter, desto lieber! Wer denkt dann schon darüber nach, dass man dem Kaffeepflücker in weit entfernten Ländern, in Kolumbien oder Guatemala, die Löhne drückt - damit wir´s schön billig haben. 50 Euro bekommt er vielleicht im Monat. Davon soll er seine Familie satt kriegen! Das darf man doch wohl sehr ungerecht nennen! Erbsünde meint z.B.: seit Adam und Eva profitieren die einen vom Elend der anderen. Wir wollen das wahrscheinlich gar nicht. Aber wir "hängen mit drin" und sehen drüber hinweg! Uns geht´s gut, weil es anderen schlecht geht. Diese Ungerechtigkeit ist fern von Gott. Gott will sie nicht. Gott hält dagegen. Wer nun Christ wird und sich taufen lässt, soll ebenfalls "dagegen halten". Er soll zusehen, wie er die Gerechtigkeit fördern und stärken kann. Mit den Worten der Bibel: Er soll sich dem Heiligen Geist zur Verfügung stellen. Jeder Christ ist berufen zu einem Leben, das nicht von Gott abgespalten und abgetrennt ist, zu einem Leben, das die Bosheit in der Welt überwindet.

Vielleicht ist das Evangelium von der Taufe Jesu der beste Einstieg in das, was Taufe meint. "Der Himmel öffnete sich, und der Geist kam, und eine Stimme sprach: Du bist mein geliebter Sohn!" Hören wir das als eine große Zusage Gottes auch für die Kinder von heute! Sie leben vielleicht noch im Jahr 2100, sie sind noch ganz am Anfang, und niemand weiß, was kommt und passieren wird. Aber über dieser ganz unbekannten Zukunft steht seit der Taufe das Wort: Du bist mein geliebter Mensch, Sohn oder Tochter! Gott sagt: Ich bin da - für dich. Er verspricht nicht: Ich bewahre dich vor allen Gefahren. In deinem Leben passiert dir nichts! Du bist ein Kind des Glücks! Nein, das sagt er nicht. Er ist kein Gott, der ein angenehmes Leben garantiert. Er verspricht vielmehr: Nichts in eurem Leben - nichts, auch nicht der Tod - kann euch trennen von meiner Liebe zu euch!

Ein junger Vater erzählte mir einmal bewegt, er habe von der Taufe nur einen einzigen Satz behalten, aber den für immer. Er sei ja gefragt worden: Sind Sie bereit, zu diesem Kind zu stehen, wohin auch immer sein Weg führt? Und da habe es ihn richtig durchfahren, dass er dann ja so eine Art "Stellvertreter Gottes" für sein Kind sei. Auch er, der Vater, spreche dann wie Gott: Ich bin immer da für dich und gehe mit dir "durch dick und dünn&", egal was kommen mag. Da erst habe er zutiefst gespürt, was ein Vater ist. Und er habe auch geahnt, was Kirche ist und sein kann: eine Gemeinschaft, die aus Gottes Liebe und Treue lebt.

Das alles zu spüren und zu ahnen, könnte heißen, "mit dem geöffneten Himmel zu leben".