Im selben Augenblick verschwand Jesus vor ihren Blicken

Kirche in WDR 05.04.2018

Das mag es im Theater geben, liebe Hörerinnen und Hörer. Ein markantes Schlusswort, dann Donner und Blitz und viel Rauch, der Boden tut sich auf, und schwuppdiwupp, der Held ist weg, er ist nicht mehr zu sehen. Ich erinnere mich an einen temperamentvollen Prediger, der diese Stelle aus der Emmaus-Geschichte nacherzählte und plötzlich vor der staunenden Gemeinde hinter der Kanzel verschwand.

In der Tat, ein merkwürdiges Ende. Jesus Christus, der Auferstandene, hatte zwei Jünger auf ihrem Weg heimwärts begleitet, und am Ziel, dem Dorf Emmaus, isst er mit ihnen, bricht das Brot und reicht es ihnen. Da gehen ihnen die Augen auf, und sie erkennen ihn. Im selben Augenblick verschwindet er vor ihren Blicken. Er entzieht sich ohne Schlusswort, ohne Vermächtnis, ohne Abrundung, ohne jeden dramatischen Effekt.

Bis dahin ist Jesus der Mitgeher. Es heißt einfach: Er ging mit den Jüngern. Glaubende aller Zeiten haben diesen Satz von früher in die Gegenwart geholt, haben zu sagen gewagt: Er geht auch mit uns mir, heute. Eine Ikone, die ich sehr liebe, hält dies fest: Christus ist auf dem Weg, neben ihm ein Heiliger, sagen wir: ein Christ, und die Hand des Herrn berührt dessen Schulter ermutigend und freundschaftlich.

Der Mitgeher auf dem Weg nach Emmaus, fremd und noch anonym, spricht mit den Jüngern. Er erscheint da fast wie ein Therapeut. Jesus stellt den Jüngern Fragen, konfrontiert sie mit ihren Blockaden und ihrer Schwerfälligkeit und deutet ihnen die Glaubenstradition seines Volkes. "Musste nicht der Messias dies alles erleiden?" Die furchtbare Kreuzigung rückt er in ein anderes Licht.

Wenn so einer mitgeht, dann tut das gut. So einen lässt man nicht ziehen, den drängt und bittet man ins Haus, zumal es Abend wird. Der Wanderer geht mit hinein, um bei ihnen zu bleiben.

Bleiben? Würden wir die Uhr befragen, fiele das Bleiben äußerst knapp aus: zwanzig Minuten vielleicht. Der Gast wird zum Gastgeber und spricht die Worte des Letzten Abendmahls: "Und als er mit ihnen bei Tisch war, nahm er das Brot, sprach den Lobpreis, brach das Brot und gab es ihnen." In dieser Geste des Brotbrechens fasst Jesus Christus sein Leben, sein Leiden und Sterben zusammen: Das bin ich selbst, mit Fleisch und Blut. Das ist mein Leib, hingegeben für euch, gebrochen für euch.

Er entschwand und ist doch geblieben. Man sah seine Gestalt nicht mehr, aber im Zeichen des gebrochenen Brotes blieb er. Millionenfach feiern Christen das jeden Tag neu. Den Jüngern von Emmaus ging ein Licht auf. Haltet euch an das Zeichen, hörten sie heraus. In ihm ist er weiter da, mitten unter uns. So gibt es doch ein Bleiben, das keine Uhr fassen kann.

Ich möchte das Wort vom Therapeuten noch einmal aufgreifen. Ein guter Begleiter nimmt sich zurück, er lässt den Anderen selbstständig sein. Jesus geht ein Stück des Weges mit, ein entscheidendes Stück. Den Weg von der Krise zur neuen Hoffnung. Dann entzieht er sich, dann wandert er weiter. Aber er lässt die, die glauben, nicht allein, nicht "verwaist" zurück. Bei ihnen bleibt eine Kraft, die sie erfüllt, und ein Zeichen, das sie stärkt. Jesus lässt die Menschen selbstständig sein, macht sie nicht abhängig. In aller Freiheit sollen sie ihren Weg gehen, aber inspiriert, entflammt von Glauben, Hoffnung und Liebe. Diese Flamme hat er gegeben. Und den Jüngern brennt das Herz. Fragen und Sorgen und Zweifel bleiben genug an jedem Tag, so auch heute. Aber vielleicht bleibt auch etwas von dem Licht, das damals aufschien.