Fußwaschung

Predigt am Gründonnerstag 29.03.2018

Die mittelalterliche Kirche von St. Gilles-du-Gard in Südfrankreich liegt auf dem Pilgerweg nach Santiago de Compostela. In ihr finden wir ein schönes Säulenkapitell von der Fußwaschung. Jesus beugt sich herunter, geht vor Petrus auf die Knie, greift nach dessen Fuß. So weit, so gut.

Und Petrus? Der greift sich an die Stirn. Das ist unüblich und einzigartig in der Kunst. Ich weiß nicht, ob man im Mittelalter schon das "einem anderen einen Vogel zeigen" kannte: Du bist bekloppt, du bist verrückt! Wahrscheinlich hatte der Künstler das nicht im Sinn. Eher stellte er das Wort des Petrus aus dem Evangelium dar: "Herr, wenn ich nur durchs Waschen Anteil an dir bekomme, dann wasch mir bitte nicht nur meine Füße, sondern auch die Hände und das Haupt." Wasch mir den Kopf, diesen widerspenstigen Schädel, der so schwer begreift, der so dickköpfig sein kann. Wasch meinen Kopf, mit dem ich so oft durch die Wand will. Wasch mir den Kopf, den ich manchmal förmlich verliere, so dass ich richtig kopflos bin.

Im "Kopfwaschen" ist unsere Zeit richtig gut. Von den Chefs fürchtet man, sie könnten das mit einem tun - vielleicht auch vor anderen. Es wird mehr kritisiert und gemeckert als gelobt. Meist geschieht das hintenherum. Da ist dann eine deutliche "Kopfwäsche" wenigstens eine klare Ansage! Man weiß, wo man dran ist. Aber bitte nicht übertreiben! Bitte keinen "shitstorm" in Gang setzen! Bitte "aus einem Floh keinen Elefanten machen"!

Wer dauernd die Köpfe anderer wäscht, sollte - zum Ausgleich - das Evangelium beherzigen und es mal mit "Fußwaschung" versuchen. Aber da käme wohl die andere, die "moderne" Deutung der Geste ins Spiel: Fußwaschung, das ist "bekloppt", das ist verrückt. Petrus kann erst nicht verstehen, was Jesus da macht. Er denkt: Jesus stellt mal wieder die Dinge auf den Kopf! In seiner Zeit dachte man sehr hierarchisch, sehr im Schema von "oben und unten": Jesus ist doch der "Herr", der Chef des Jüngerkreises! Und noch viel mehr: der Messias, der Sohn Gottes! Der soll sich bedienen lassen, doch nicht selber dienen! Die Bundeskanzlerin trägt bei einem Empfang ja auch nicht die Suppe auf, und der Bundespräsident spült nach dem Dinner auch nicht die leeren Gläser. Dafür hat man schließlich seine Leute! Damals, zur Zeit Jesu, hatte man Sklaven im Dienstpersonal, die waren zuständig für die Drecksarbeit, fürs Waschen der staubigen Füße z.B., mit denen die Gäste ins Haus kamen. Kein Hausherr hätte das damals gemacht. Man hätte ihn ausgelacht, man hätte ihm "den Vogel gezeigt", ihn für einen verrückten Spinner gehalten.

Ich fürchte, dass die "moderne" nicht- oder nachreligiöse Kultur Jesus in der Tat "den Vogel zeigt", mit ihm wenig anfangen kann, ja, ihn für ziemlich "verrückt" hält. Jesus hat ja auch eine Menge "verrückt" an gängigen Meinungen, an der Auffassung von "oben und unten", von Herrschen und Dienen. Wer die Armen seligpreist, kann bei den vielen, die vor allem reich und wichtig werden wollen, keinen Blumentopf gewinnen. Der Diener Jesu, Papst Franziskus in Rom, ein Freund der Armen, kriegt heftigen Widerstand ab: bitte keine "Kirche der Fußwaschung", sondern eine Kirche der gepflegten Bürger, einer ästhetischen Liturgie, gerne in Latein, die Mächtigen in der ersten Reihe, mit Glanz und Gloria.

Nein, bitte keine "Fußwaschung". Bitte kein Gerede vom Dienen, sagen viele "Moderne", die Trendsetter unserer Zeit. Wir brauchen und suchen Steigerung und Stärkung unseres Selbst, wir brauchen Selbstverwirklichung, wir wollen nach vorn und nach oben. Wir planen eine Karriere, wir steigen eine Leiter hoch, Richtung Chefposten. Dafür sind wir bereit, 16 Stunden am Tag zu arbeiten. Wir sind die Leistungsträger unserer Zeit. Dass wir dabei unsere Seele verlieren können, nehmen wir in Kauf. Als "Weichei" mit sentimentalen Anwandlungen kommt man nicht nach oben. Also: Gebraucht eure Ellenbogen!

Ich halte mich da lieber an Christus. Ich wähle ihn - und nicht das erwähnte, vielleicht etwas überspitzte Lebenskonzept. Gut, wenn jemand sein Leben und seine Arbeit als Dienst verstehen kann, wie Jesus das tat. Dienst kommt von "dienen", und das heißt: Füreinander da sein. Den anderen "mitnehmen" und nicht abhängen. Das Wohl vieler wollen und dazu beitragen. Das ist das viel beschworene "christliche Menschenbild": Der Mensch als Geschöpf und "Kind" Gottes ist den anderen Bruder und Schwester. Nicht Konkurrent, der ihm kaum "die Wurst auf dem Brot gönnt"! Das Füreinander ist der Weg, und das Miteinander ist das Ziel. Und die Fußwaschung ist ein sehr deutliches, sprechendes, leicht "verrücktes" Zeichen dafür. Viel besser und heilsamer als alle so wichtig daherkommenden Zeichen der Bedeutung und Macht.