Ampel Johannes

Predigt am 10.12.2017

Wenn ich hier von St. Petrus und Paulus in die Stadt fahre, komme ich so an 5 oder 6 Ampeln vorbei. Leider stehen die meistens auf Rot! Das macht mich ziemlich nervös. Meistens bin ich eh unter Zeitdruck oder schon zu spät dran. Mein Blutdruck klettert hoch, und mein Gesicht nimmt immer mehr die Farbe der Ampel an: Rot! Wenn es doch ohne Ampel ginge! Kreisverkehr, meinetwegen - wie viel Zeit wäre gewonnen! STOPP - so einfach ist die Botschaft dieses nervenden Rotlichts. Stopp, halt an. Nicht weiterfahren. Ein paar Augenblicke innehalten. Dem anderen die Vorfahrt lassen.

Die rote Ampel erinnert mich an die Propheten der Bibel. Die wollten auch, dass das Volk anhält. STOPP - so sagten sie auch. Anhalten, nicht so weiter leben wie bisher. Vorfahrt für Gott, für das, was er will! Wecker sind sie, die Propheten, bis heute. Sie wecken Leute auf aus dem Halbschlaf, aus der Gleichgültigkeit. Und Ampeln sind sie. Sie "zeigen die rote Karte" (Leute, so nicht!). Oder sie geben grünes Licht.

Es war und ist nicht besonders angenehm, ein Prophet zu sein. Wer von den Hörern lässt sich schon gerne stoppen auf seiner Lebensbahn! Auch der Blutdruck des Volkes Israel stieg, wenn es die Propheten rufen hörte: "Kehrt um! Haltet euch an Gottes Wegweisung! Ihr habt die Wahl zwischen Leben und Tod. Leben: das ist Leben mit Gott, Leben in Gerechtigkeit. Tod: das ist Leben ohne Gott oder gegen Gott. Da macht sich jeder selbst zum Gott, zur obersten Instanz, zum Abgott. Dann wird einer gegen den anderen stehen, und von Gerechtigkeit ist keine Spur mehr! Chaos macht sich breit! Also: Wählt das Leben!" So ähnlich rufen die Propheten in immer neuen Anläufen. Sie unterbrechen und stoppen den eingespielten Ablauf der Dinge. Sie sind wie Sand im Getriebe. Umkehr - das ist ihre Botschaft in einem Wort.

Johannes der Täufer, der letzte der bekannten jüdischen Propheten, stützt sich auf die Worte seines frühen Vorgängers Jesaja. Der lebte 600 Jahre früher. Aber was er sagte, gilt immer noch: "Ich bin die Stimme eines Rufers in der Wüste: Bereitet dem Herrn den Weg! Das habt ihr bisher nicht getan. Bisher habt ihr des Herrn Wege eher blockiert. Fangt an damit. Kehrt endlich um!" Wie das Rotlicht der Ampel setzen auch Jesaja und Johannes ein Stopp-Signal. Heute wollen ähnliche Stopp-Signale unseren Advent unterbrechen: Was rennt ihr denn wie verrückt durch diese Zeit? Was für eine Hektik bricht denn bei euch aus? Was lasst ihr euch unter Druck setzen? Oder ein anderes Stopp-Signal: Was wird aus euren Gottesfesten, etwa aus Weihnachten gemacht? Wer hört noch Gottes Stimme heraus? Wer hört noch Gottes Menschenfreundlichkeit heraus aus all dem Gedudel und dem ganzen Kaufrausch? STOPP - damit das zugedröhnte, zugestopfte Innere leer werden, aufatmen, zur Besinnung kommen kann.

Ampeln haben gegenüber Propheten einen Vorteil. Die Leute halten sich daran. Fast alle. Bei Rotlicht bleibt so ziemlich jeder stehen, zumindest in Deutschland. In anderen Ländern wird die Ampel oft nur als Vorschlag genommen. Die "Ampel über-fahren" - das traut sich bei uns kaum jemand! Propheten haben es da schwerer. Mit ihren Stopp-Signalen können sie den Leuten ins Gewissen reden, können sie beschwören, können bitten, warnen, mahnen oder einladen. Nur: zwingen können sie nicht! Denn Gott schätzt unsere Freiheit. Wenn wir alte schlechte Wege und Gewohnheiten verlassen und neu aufbrechen in Richtung Gott, dann in aller Freiheit! Nicht aus Angst, sondern aus Einsicht und Dankbarkeit! Die Erfahrung sagt uns: Wer christlicher, bewusster, menschlicher leben will, der hat zuvor schon sicher einige Stopp-Signale in seinem Leben verspürt. Stopp - nicht weiter so! Halt an! Der hat schon einige Zeit vor den Rotlichtern des Lebens verbracht. Und das war, weiß Gott, keine vertane Zeit.

Nun, unsere Ampeln haben auch grünes Licht. Du kannst weiterfahren! Freie Fahrt voraus! Grün, so sagt man, ist die Farbe der Hoffnung. Die Propheten haben den Pinsel nicht nur in den roten Farbtopf, sondern mehr noch und tiefer noch in den grünen der Hoffnung getaucht. Das klingt denn so, z.B. bei Jesaja in der Lesung: "Tröstet, tröstet mein Volk, spricht euer Gott. Verkündet der Stadt Jerusalem, dass ihr Frondienst zu Ende geht (und ihre Bewohner aus der Verbannung in Babylon zurückkehren werden). Jerusalem, du Botin der Freude! Fürchte dich nicht! Erhebe deine Stimme, sprich: Gott kommt! Wie ein Hirt führt er seine Herde zur Weide, er sammelt sie mit starker Hand!" Bald hinter jedem Satz war da ein Ausrufezeichen. Der rote Faden: Gott ist da. Er kommt! Schaut nur hin! Und da macht Johannes der Täufer weiter: "Bald kommt einer! Der ist größer als ich. Mitten unter euch ist er schon, noch unerkannt. Ich taufe nur mit Wasser. Er aber wird euch mit Heiligem Geist taufen!" Johannes ist wie ein großer Zeigefinger in Richtung Christus.

Ein Zusatz noch: An der Ampel gibt es den kurzen Moment des gelben Lichts. Wenn Gelb kommt, legt der Autofahrer wieder den Gang ein und bereitet sich zur Weiterfahrt vor. Es kann wieder losgehen! Gelb scheint mir besonders adventlich: Passt auf, es geht weiter! Oder mit den Worten der Bibel: "Seid wachsam!" So wachsam und aufs Grün gespannt wie der Autofahrer vor der Ampel. Denn gleich geht´s los! In jedem Augenblick kann es losgehen: dass Gott zu mir kommt, zu uns kommt. Dass er unser Herz berührt, und dass sich vieles - alles - verändert.