Weihnachtsgruß an alle



unterwegs zum kind

eine junge Frau
traut dem geflügelten wort
wird empfänglich für das unbegreifliche
mit den augen eines kindes

ein mann voller pläne
die im traum schon zerbrechen
verzichtet auf begreifen
vertrauensselig wie ein kind

hirten in nachtbereitschaft
melodie liegt in der luft
noch ergreifender
als ein lied aus kindertagen

himmelsgelehrte aus dem orient
tausend und eine nacht lang
greifen sie schon nach den sternen
knien ergriffen vor einem kind

Ein Gedicht von Andreas Knapp. Andreas ist Priester in Leipzig, betreut heute Leute im Gefängnis und kümmert sich intensiv um syrisch- orthodoxe Flüchtlinge in seiner Stadt. Die Verfolgung der Christen in der IS-Zone in Syrien und im Irak hat er in seinem Buch "Die letzten Christen" beschrieben und uns in Lüdenscheid davon berichtet.

Weihnachten wird bei ihm ganz nah: da ist eine junge Frau mit Engelskontakt ("geflügeltes Wort"). Dann ein Mann, Josef, der sich aufs Unbegreifliche einlassen kann. Hirten in der Nacht, denen die Botschaft die Sprache verschlägt. Und Sterndeuter, Weise (aus dem Irak, aus Syrien?), die anbetend auf die Knie fallen. Sie alle - konfrontiert mit einem Kind.

Dieses Kind ist hineingestellt in die dunkle Nacht. Es ist die Dunkelheit, die auch über der Welt von heute liegt - trotz allem Lichterglanz und allem Greifen nach den Sternen: Armut so vieler, Ungerechtigkeit, Einsamkeit. Aber unsere Personen Maria, Josef, die Hirten, die Weisen sind "vertrauensselig" - selig und gesegnet durch ihr Vertrauen. Sie ahnen im Dunkeln das Licht. Im Kind sehen sie das Licht. Herzen, Augen, Ohren sind offen für den Gott, der sich in diesem Kind zeigt und schenkt. Wenn seine Menschenfreundlichkeit ansteckend wird, dann "zündet" Weihnachten.

Andreas Knapp erzählte uns in Lüdenscheid davon, was die syrischen Freunde aus Mossul und den IS-Gebieten hinter sich haben - ich brauche es wohl nicht aufzulisten! Aber sie überlassen sich nicht den schlimmen Erfahrungen der letzten Jahre ("der Nacht"). Sie hoffen auf Gott und seinen Frieden und auf ein besseres Morgen. "Vertrauensselig" - wie die Leute in der Weihnachtsgeschichte. Eine wunderbare Haltung, die ich allen Freunden und Bekannten zu Weihnachten und für das neue Jahr herzlichst wünsche!

Ihr Johannes Broxtermann