Jan Gall

Auferstehungsfeier am 19.11.2017

Vielleicht lässt sich der Mensch Jan Gall beschreiben im Spiegel eines Psalms, den viele unter uns kennen. Jan lebte auch mit diesem Psalm, wir haben ihn zusammen bei seiner Krankensalbung in der Kapelle in Hellersen gebetet. Das war am 2. September. Da hatte er gerade von seiner schweren Tumorerkrankung erfahren, hatte gehört, dass er nicht mehr lange zu leben hätte.

Ich fürchtete, einen gebrochenen Menschen anzutreffen. Aber es war ganz anders - und wohl typisch für ihn. Er war von einigen Freunden umgeben - typisch für Jan! Und er strahlte ein unerschütterliches Gottvertrauen aus - für ihn noch typischer!

Der Psalm 23 ruft Gott an als einen Hirten, der die ihm Anvertrauten führt und schützt.

Der Herr ist mein Hirte, nichts wird mir fehlen.

Jan war sich im Klaren: Entscheidendes fehlte ihm. Gesundheit, Aussicht auf weitere Lebensjahre, Zukunft. Die meisten Menschen würden hadern und klagen: Warum ich? Warum gerade ich? Jan dagegen: "Ich bin der glücklichste Mensch der Welt!" Der, dem die Ärzte gerade sozusagen das Todesurteil verlesen hatten, sieht sich, ernsthaft und scherzhaft zugleich, als "Jan im Glück" oder "Jan im Wunderland".

Der Herr ist mein Hirte, nichts wird mir fehlen. Er lässt mich lagern auf grünen Auen.

Wo Jan nicht überall sein Lager aufgeschlagen hat! In Heerlen in Holland. Dort ist er geboren und gestorben - ein Kreis hat sich geschlossen. Dann in Lüdenscheid, jahrzehntelang. In einer großen Familie. Später lange Jahre mit Max Zimmermann. Dann die Wohnung an der Cote dĀ“Azur. Wo auch immer sonst. Viel unterwegs schon von Jugend an. Sehnsüchtig nach der Welt, nach Begegnungen. Ein Netzwerker mit vielen Kontakten und Freundschaften. Einer, der das Leben suchte. Und der auf diese Suche seinen Glauben mitnahm. Auf den unterschiedlichen, etwas verschlungenen Lebensabschnitten war der Glaube die leitende Konstante. Das kam in den letzten Monaten der schweren Krankheit sehr deutlich heraus.

Er lässt mich lagern auf grünen Auen und führt mich zum Ruheplatz am Wasser.

Den Ruheplatz hatte Jan im wörtlichen Sinn: das Hausboot bei Nijmwegen in Holland, das er die letzten Jahre bewohnte. Jeden Morgen sprang er dort ins frische Wasser. Im übertragenen Sinn war Jan auf der Suche nach den Ruheplätzen.
Wahrscheinlich fühlte er sich dem hl. Augustinus nah, der von sich sagte: "Herr, du hast uns auf dich hin erschaffen, und unruhig ist unser Herz, bis dass es seine Ruhe findet in dir." Die innere Ruhe und Zufriedenheit, zu der er im Krankenhaus und im Hospiz fand, war vielleicht das Vorfeld des endgültigen Ruheplatzes in Gott.
Etwas vom Wasser findet sich auch in einem Zitat des großen gläubigen Philosophen Sören Kierkegaard, das Jan in seinen letzten Wochen über Whats-App mitteilte:

Noch eine kurze Zeit, dann ist's gewonnen.
Dann ist der ganze Streit (Lebenskampf?) in nichts zerronnen.
Dann kann ich laben mich an Lebensbächen
und ewig, ewiglich mit Jesus sprechen.

Mit Jesus, der für Jan wie ein Freund war.

Er stillt mein Verlangen, er leitet mich auf rechten Pfaden, treu seinem Namen.
Muss ich auch wandern in finsterer Schlucht, ich fürchte kein Unheil.


Jeder Mensch, so auch Jan, lernt wohl seine eigene finstere Schlucht kennen, ist mit den eigenen Abgründen konfrontiert: mit den Stellen und Erfahrungen, die nicht im Licht, sondern im Dunkeln liegen. Es gehört zur Ehrfurcht vor jedem Leben und vor jedem Tod, den Menschen in seinem Licht und in seinem Schatten Gott anzuvertrauen. Dieser Gott Ist größer als unser Herz, und er weiß alles, heißt es in der Hl. Schrift. Über den Abgrund hat Gott das Kreuz gelegt, und so kann er über diese Brücke, das Kreuz, zu uns kommen. Ich fürchte kein Unheil, ich erhoffe sein Heil.

Denn du bist bei mir. Dein Stock und dein Stab geben mir Zuversicht.

Denn du bist bei mir, auch im Klinikum und im Hospiz. Das hat Jan ganz tief empfunden. Er sah sich, wie wir schon hörten, als glücklichen Menschen. Und er sah Gott am Werk: "Ob ich lebe oder sterbe, ich bin immer in Gottes Hand!" Er sagte auch: "Der Tumor - das sind Gottes Antennen. Jetzt kann ich Gott besser verstehen!" Jan hatte verstanden, dass das Leiden und das Sterben nicht von Gott abbringen muss. (Warum tust du mir das an?) Es kann auch hinbringen zu ihm. Denn - ebenfalls Originalton Jan -: "Die göttliche Vorsehung hat alles im Griff."

Dein Stock und dein Stab geben mir Zuversicht.

Stock, Stütze, Stab. So war Gott für ihn. Eine Stütze. So hatte er ihn ein Leben lang erfahren. Jan trug einen "missionarischen Wunsch" in sich: möglichst vielen Menschen etwas von diesem Gott erfahrbar zu machen. Zum Beispiel als Ministrant, als Jungscharleiter, im Erstkommunionunterricht und im Krankenbesuchsdienst. Und vielleicht auch jetzt: über seinen Tod hinaus, durch die Erinnerung an sein gläubiges, zuversichtliches Sterben.
Die Stütze hat Jan auch durch viele Besuche an seinem Krankenbett erfahren, durch hilfreichen Beistand, durch viele Mails und Anrufe. Sicher hat das alles zu seinem Glück und seiner Dankbarkeit beigetragen: dass er sich von vielen getragen sah. Und dass er selber in seinem Leben sich um viele gekümmert hat und vielen eine Stütze sein durfte.

Du deckst mir den Tisch. Du füllst mir reichlich den Becher.

Ich muss gestehen: Ich habe mich richtig gefreut zu hören, dass Jan noch in seinen letzten Tagen im Hospiz mit Besuchern Champagner getrunken hat! Er hat bis zum Schluss "das Leben gefeiert" und genossen - das Leben in seiner Schönheit und in seinem Glanz. Das Leben, das er so geliebt hat: die Gemeinschaft, das Essen, die Musik, einen Hauch von Luxus, die Autos und das Reisen. Das Reden über Gott und die Welt - ganz stark und viel mehr, als auch unter Christenmenschen üblich: über Gott. Jan wusste, dass dieser Gott seinen "Becher", sein Leben reichlich gefüllt hatte.
In Jans Zimmer im Hospiz hing eine englische Spruchkarte, die vielleicht seine Lebensphilosophie beschreibt:

Live simply!
Laugh often!
Love much!
Speak kindly!
Care deeply!
Expect little!
Give generously!
Trust in the Lord with all your heart!

Jan hat das auf seine Weise versucht. Er ist jetzt im Frieden Gottes. Folgen wir ihm dorthin, mit Herz und Seele. Denn:

Lauter Güte und Huld werden mir folgen mein Leben lang.
Und im Haus des Herrn darf ich wohnen für lange Zeit.