Unter dem Gütesiegel Gottes

Predigt am Erntedankfest 01.10.2017

Vor zwei Tagen stand es in der Zeitung: Ein Mann wollte Discounter erpressen, es ging um zehn Millionen. Und was machte er? Er vergiftete Babynahrung in den Auslagen und drohte, das in großem Umfang zu tun. Gott sei Dank ist er inzwischen gefasst worden.

Einstieg in eine Erntedankpredigt? Ich denke, ja. Hier, in diesem Fall: Nahrung, der man nicht mehr trauen kann. Sie ist giftig, sie kann Babys, diese wehrlosesten und unschuldigsten aller Wesen, krankmachen oder gar töten. Und auf der anderen Seite: Erntedank. Nahrung, der wir trauen, die wir schätzen und genießen. Lebensmittel, die unter dem Gütesiegel Gottes stehen. Und Gott sah, dass es gut war, heißt es im Schöpfungsbericht immer wieder. Gut und vielfältig und ausreichend, dass es für alle reicht - reichen könnte. Die Körbe, die häufig am Erntedanktag vor dem Altar stehen, stellen uns das vor Augen. Kartoffeln, zig Gemüsearten, zig Sorten Obst: Der Schöpfer hat sich wirklich was einfallen lassen! So viel ist da, so groß ist die Vielfalt, aus der man auswählen kann - auch für Vegetarier, auch für Veganer!

Lebensmittel, Ernte, unter dem Gütesiegel Gottes: Dafür am heutigen Sonntag ein großer Dank! Erntedank! Leider kommt das im Kirchenjahr viel zu selten vor. Wir feiern die Feste der Erlösung: Ostern, Weihnachten, Pfingsten zum Beispiel, aber Feste der Schöpfung sind rar. Der moderne Mensch des 20. und 21. Jahrhunderts lebt eher mit der Technik, z.B. mit der immer wichtiger werdenden Digitalisierung. Im Straßenbild starren Menschen auf ihr Smartphone und übersehen das schöne Herbstlaub der Bäume. Es soll viele Kinder geben, die nicht mehr wissen, woher die Milch kommt. Von ALDI?

Schöpfung erleben, das ist vielleicht noch was für den Urlaub: das Meer, die Berge. Wandern in großen Wäldern, oder in der Wüste. Ich habe Freunden aus Eritrea schon öfter meinen Fotoapparat in die Hand gedrückt und gesagt: Fotografiert mal Deutschland. Was gefällt euch hier? Und da haben sie fast immer "grüne Bilder" gemacht: grüne Wiesen, die Wälder und Bäume, die Kühe, die reiches Futter haben. Grün: ihre Sehnsuchtsfarbe! Im eigenen Land - Eritrea, oder Äthiopien - ist nicht allzu viel grün, sondern braun, staubig, wüstenähnlich. Die Leute aus Eritrea helfen mir, unsere schöne grüne Landschaft nicht für selbstverständlich zu nehmen, sondern sie mit neuen Augen zu sehen: Gott, wie reich ist deine Schöpfung! Welche Fülle der Möglichkeiten! Du hast das Auge eines Malers, dein Farbkasten ist unerschöpflich, allein 7oo verschiedene Grüntöne soll es am Amazonas geben. Und die Vögel und die Schmetterlinge sind viel schöner und bunter, als sie eigentlich sein müssten. So viel Schönheit hast du in die Schöpfung, in die Natur gelegt!

Man weiß, dass diese schöne Schöpfung mit ihren reichen Ernten seit langem bedroht ist. Wir müssen sie bewahren, schützen und behüten. So heißt es schon im Schöpfungsbericht der Bibel: "Gott setzte den Menschen in den Paradiesgarten Eden, ihn zu bebauen und zu bewahren." Den Garten pflegen und bewahren! Aber dann heißt es auch: "Macht euch die Erde untertan!" Das haben sich die Menschen nicht zweimal sagen lassen. Sie haben mit Industrie und Technik in die natürlichen Abläufe so eingegriffen, dass das Klima sich ändert und oft ziemlich verrücktspielt, dass der Meeresspiegel steigt, die Urwälder abgeholzt werden, blühende Landschaften dann wie Mondlandschaften aussehen, Bauernhöfe nur als Agrarfabriken überleben können und die Bienen immer weniger werden. Unzählige Pflanzen- und Tierarten sterben aus. Viele haben das Gefühl, dass die Natur sich sozusagen "rächt" und zurückschlägt - so mit den vielen Naturkatastrophen, den heftigen Stürmen und Überschwemmungen. Die in der Schöpfung angelegte und geforderte Harmonie hängt irgendwie schief zwischen der Natur und dem Menschen, der sich als Krone der Schöpfung fühlt, aber immer mehr ihre Dornenkrone ist. Eine ordentliche Portion Bescheidenheit und Demut angesichts der großen Schöpfung stände uns Menschen gut an! Wenn wir uns als die "großen Kings" der Schöpfung aufspielen und ohne Rücksicht auf Verluste unseren Planeten ausplündern, dann betreiben wir das Geschäft der Vergiftung in großem Stil - so wie der Erpresser mit seinen Babynahrungsgläsern, von dem ich anfangs sprach.

Viele Menschen sagen inzwischen deutlich Nein dazu. Gott sei Dank! Die Schöpfung zu bewahren: das sehen sie als zentrale menschliche, politische und auch religiöse Aufgabe. Auch der Papst gehört dazu, mit seinem ökologischen Lehrschreiben Laudato si, in dem wir Menschen als Mitgeschöpfe beschrieben werden, mit einer großen Verantwortung für die Natur. Der Papst hat seinen Namenspatron sehr vor Augen, Franz von Assisi. Die Legende erzählt, wie Franz den Tieren predigte. Sein Sonnengesang nennt alles, was lebt, Schwester und Bruder - wie in einer Familie, die zusammen gehört: Mutter Erde. Schwester Wasser. Bruder Mond, oder Bruder Tier. Da ist die Harmonie noch spürbar wie nirgendwo sonst! Leben gehört zusammen - Mensch, Tier, und Pflanze. Der Erntedanktag kann uns das sagen und unser Staunen, unseren Dank und unseren Verantwortungssinn für Gottes Schöpfung stärken.

Zum Schluss Worte eines Kirchenlieds aus der Schweiz:

Herr, gib uns unser täglich Brot.
Hilf, alles Leben ist bedroht,
weil unser satter Sinn vergisst,
dass du des Brotes Geber bist.

Du gibst uns unser täglich Brot.
Lass uns bereit sein in der Not
zu teilen, was du uns gewährt.
Dein ist die Erde, die uns nährt.

Herr du bist unser täglich Brot.
Du teilst dich aus in deinem Tod.
Wir loben dich und danken dir.
Aus deiner Liebe leben wir.

(Edwin Nievergelt, Schweizer Kirchenmusiker)