Strahlend weiß - Fest der Verklärung

Predigt am 06.08.2017

Menschen strahlen manchmal. Kinder wie Alte. Sie strahlen, ja sie "leuchten" vor Freude, vor Begeisterung, vor Glück. Sehr schön strahlen sie, wenn sie frisch verliebt sind.

Es gibt Menschen, die strahlen förmlich Gott aus. So erzählt die Bibel von Mose. Er war auf dem Berg Sinai, hatte dort eine intensive und folgenreiche Erfahrung, eine Begegnung mit Gott. Gott schloss einen Bund mit seinem Volk, und Mose brachte danach die beiden Bundestafeln mit den zehn Geboten hinunter zu den Israeliten. Die Leute sahen nun: Die Haut von Moses Gesicht strahlte Licht aus. Das war dem Mose wohl unangenehm, und so legte er, wenn er mit den Menschen zusammen war, einen Schleier über sein Gesicht. Das Leuchten - oder, wie wir sagen könnten: der "Heiligenschein" - war ein Widerschein, gleichsam ein Echo des Lichtes von Gott, dem er ja gerade begegnet war.

Gott ist verborgen. Niemand könnte seinen "Anblick", d.h. die direkte Erfahrung ertragen. Er würde geblendet, er würde blind. Licht ist ein Bild, ein Symbol, um von Gott doch irgendwie sprechen zu können. Licht, das Leben gibt, Helligkeit, Erleuchtung. Licht, das die Finsternis - der Sünde, des Todes, der Gottferne - vertreibt. Ständig in der Finsternis, im Dunkeln mag niemand leben.

Paulus fasst das alles in einem einzigen Satz zusammen (2 Kor 4,6): "Denn Gott, der (schon in der Schöpfung) sprach: Aus Finsternis soll Licht aufleuchten, - er ist in unseren Herzen aufgeleuchtet, damit wir erleuchtet werden zur Erkenntnis des göttlichen Glanzes auf dem Antlitz Christi."

Gott selber im Licht, ihn kann niemand sehen. Aber der Widerschein, die Spiegelung, das (wenn man so sagen könnte) "Echo" des Lichtes ist sichtbar - zumindest den Glaubenden. Der göttliche Glanz liegt für sie nicht auf grandiosen, gewaltigen Dingen - Berggipfeln, der Peterskirche, oder einem Sonnenuntergang am Meer, - so schön und erhebend das alles sein mag. Nein, der göttliche Glanz spiegelt sich im Gesicht eines armen, unscheinbaren Menschen namens Jesus, der in einem kleinen unbedeutenden Land lebte, fern der Macht, fern von Glanz und Gloria, fern von Heeren und Palästen. In seinem Gesicht: blutig, geschunden, umrahmt von der Dornenkrone. Das muss man erst mal zusammen kriegen: den göttlichen Glanz, Gottes Herrlichkeit, sein Licht - und dann diesen armen Menschen, dieses verunstaltete Gesicht. Das ist sicher eine der aufregendsten Szenen im Evangelium: Der römische Hauptmann steht unter dem Kreuz, sieht Jesus sterben, sieht das Blut und das Elend und wagt zu bekennen: Wahrlich, dieser Mensch war Gottes Sohn!

Warum gerade dieser Mensch? Warum dieses Gesicht? Weil es bis zum Schluss voller Liebe war. Und in der Liebe spiegelt sich Gottes Glanz. In der Liebe. Nicht in der Macht! Gott spiegelt sich in der Fußwaschung, spiegelt sich da, wo einer dem anderen Gutes tut.

Im Evangelium von der Verklärung leuchtet Jesu Gesicht hell wie die Sonne, und seine Kleider wurden blendend weiß wie das Licht. Mose leuchtete damals, als er vom Berg herunterkam. Jesus leuchtet oben auf dem Berg.
Was war, als er vorher im Tal war? Was ist, wenn er wieder vom Berg herunter kommt? Nun, da sind die Anfeindungen. Da sind die vielen, die ihn nicht verstehen und ablehnen. Unten sagt Jesus Worte wie: "Wer mein Jünger sein will, muss bereit sein, sein Kreuz auf sich zu nehmen und mir so nachzufolgen!" Jesus ahnt, dass sein weiterer Weg ein Kreuzweg sein wird. Es wird schwer, es wird hart, es geht um Leben und Tod.

In solcher Dunkelheit braucht man Stärkung, braucht man ein Licht. Es wird Jesus auf dem Berg geschenkt. Da erlebt er eine Vorschau auf das Ende, auf das Ziel. Das Ende ist nicht das Leid und das Kreuz, sondern die Herrlichkeit beim Vater im Himmel! Die Auferstehung! Wie ein Blitzlicht beim Fotografieren ist für einen Moment alles in ein österliches Licht getaucht. Petrus, oft schwer von Begriff, möchte den Moment festhalten, möchte drei Hütten bauen. Er möchte in dieser Vision bleiben und wohnlich einrichten. Aber das geht nicht. Jesus und die drei Jünger müssen wieder absteigen, den Berg und dieses Gipfelerlebnis verlassen. Sie ziehen - unten im Tal - weiter. Richtung Jerusalem, Richtung nächster Berg: Golgota, Berg des Kreuzes.

Aber ich könnte mir vorstellen: Sie gehen anders. Sie gehen den dunklen Weg anders als vorher. Von Jesus heißt es an der entsprechenden Stelle im Lukas-Evangelium: "Von jetzt an nahm Jesus entschlossen seinen Weg nach Jerusalem." Die Angst und Anspannung und Unsicherheit sind nicht einfach weg. Aber diese Vision, die wir "Verklärung" nennen, geht auch weiter mit - die Erfahrung eines Glücks, das uns geschenkt wird.

Viele von uns dürften auch so einen Weg der Dunkelheit kennen. Gott bewahrt uns nicht vor den dunklen Wegen, vor Kreuz und Leid. Aber auf diesen dunklen Wegen kann er uns bewahren. Nicht vor dem Leid, sondern im Leid. Und er kann uns solche "Lichtblicke" schenken.

Vor Jahrzehnten habe ich als Kaplan in Bochum einen alten, tief gläubigen Mann betreut, der krebskrank war und arge Schmerzen hatte. Im Krankenhaus konnte man nichts mehr für ihn tun. Er lebte zuhause. Seine Familie war hilflos und sagte manchmal: "Es ist nicht zum Aushalten, mit ansehen zu müssen, wie unser Opa leidet - und man nicht helfen kann!" Ich brachte ihm die Kommunion. Und dann kam ein Strahlen in sein Gesicht. Der Schmerz verzerrte es nicht mehr. Ich fragte ihn: "Haben Sie denn jetzt keine Schmerzen mehr?" Ich konnte mir das gar nicht vorstellen. "Doch", sagte er, "die Schmerzen sind nicht weg. Aber - jetzt ist doch Jesus da!" Da hat ein Mensch das Sterben vor Augen, er leidet große Schmerzen und kann sagen: Jetzt ist doch Jesus da! Und sagt das mit einem Leuchten in den Augen.

Das ist Verklärung auf dem dunklen Weg. Wir müssen ihn zu Ende gehen. Wir können ihn nicht abkürzen. Aber Gott schenkt uns - vielleicht - einen Hinweis, eine Vorschau auf das Ziel, das er mit uns Menschen hat. Und dann können wir den dunklen Weg anders gehen. Mit Hoffnung. Trotz allem!