Eins, zwei, drei - Dreifaltigkeit
Predigt am 11.06.2017
Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes - so beginnen wir oft unsere Gebete. Die Formel ist uns vertraut. Aber können wir sie begreifen? Ein Gott - in drei Personen? Müssen
wir sie begreifen, auseinandernehmen können, so wie ein Mechaniker einen Motor auseinander nimmt? Oder darf sie als Frage, als Geheimnis, als Andeutung mit uns gehen? Als etwas, das uns übersteigt, das
wir nicht einfach "in den Griff kriegen"?
Ich war sieben oder acht Jahre, als ich meine damalige Grundschule verließ und anderswohin zog. Mein Lehrer schenkte mir zum Abschied ein Buch, die "Keimzelle" meiner jetzigen Bibliothek, das erste und
älteste Buch in meinem Besitz. Was schenkt man so einem Zweitklässler? Das Buch war ein kleiner Bildband mit dem Titel "Der Passionsaltar des Meisters Loedewich in der Nikolaikirche in Kalkar". Das ist
ein Schnitzaltar mit sicherlich mehr als tausend Figuren aus dem Spätmittelalter, so um 1450. Nun, das war weiß Gott kein typisches Kinderbuch! Irgendwie daneben!
Dreißig Jahre später traf ich den Lehrer wieder. Er wohnte inzwischen am Niederrhein, ganz nahe bei Kalkar, und ich fragte ihn, warum er mir damals ausgerechnet dieses Buch geschenkt hatte. "Ja", sagte
er, "man muss seine Schüler immer ein bisschen überfordern. Erst dann lernen sie etwas". Ich glaube, das war eine sehr weise Bemerkung. Immer alles mundgerecht servieren, da kommt kein Fragen und Suchen
auf. Plattes Reden, das hakt man ab. Das fordert nicht heraus.
Ein bisschen überfordern - das tut der Glaube mit seinen großen Worten: Auferstehung, Dreifaltigkeit, Erlösung. Wir kommen nicht zu Rande damit. Wir können da nichts abhaken. Aber wir
können weitersuchen und weiter fragen. Wir können das Geheimnis nicht auflösen und weg erklären. Wir können es aber "bewohnen" (Zulehner), mit ihm leben - und das ist tausend Mal besser!
Also heute: Dreifaltigkeit. Die Autorin Andrea Schwarz gebraucht dazu ein einprägsames Bild: Gott hat drei Hände. Wir haben in der Regel zwei und können als Links- oder Rechtshänder jeweils ganz
verschiedene Dinge tun. Umso mehr Gott mit seinen drei Händen!
Die erste Hand ist die des Vaters, des Schöpfers. Sehen Sie diese Hände im Bild. Vielleicht die bekanntesten Hände in der Kunst. Michelangelo, die Erschaffung des Adam, des Menschen, in der
Sixtinischen Kapelle in Rom. Eigentlich ist es nur ein Finger, der ganz vorsichtig, ganz sanft und sacht sich nach vorn streckt und gleich den Adam berühren wird. Und von ihm berührt und zum Leben
eingeladen wacht der Mensch auf, öffnet die Augen, staunt, lebt, ist voller Sehnsucht und Neugier, steht auf und geht los. Der Schöpfer, der Vater hat ihn ins Leben gerufen.
Aber wie geht es einem dann im Leben? Was macht das Leben mit einem? Es kann sein, dass wir uns verlieren, dass wir uns verirren, dass wir auf Abwege geraten. Dass wir nur "mit halber Kraft leben". Es kann sein,
dass das, was die Bibel "Sünde" nennt, Verlorenheit und Macht des Todes, uns beherrscht. Das, was der Schöpfer in uns hineingelegt hat, kommt dann nicht ans Licht. Es bleibt verdunkelt. Hier, in dieser
schwierigen Lage als Menschen, kommt nun die zweite Hand ins Spiel. Es ist die Hand Jesu Christi, des Erlösers, des Befreiers. Wir finden sie auf einer alten ägyptischen Ikone, die u.a. in der Kapelle
von St. Joseph und Medardus hängt. Dort ist sie als die Ikone vom "Mitgeher" bekannt. Der Schöpfer, der Vater, hat Jesus Christus gesandt, um sein Mit-Gehen mit uns Menschen deutlich zu machen. Er wird
zum Bruder neben uns. Brüderlich, freundschaftlich geht er mit uns, legt uns die Hand auf die Schulter, gibt Kraft, stärkt uns den Rücken, holt uns heraus aus den Abgründen. Er, der damals in
den Straßen Israels Blinde, Taube und Aussätzige geheilt hat, er, der schwere Schuld vergab, er, der die verlorenen Seelen fand – er wirkt das auch heute. Mit zupackender Hand.
Gott wirkt auf uns ein. Als Schöpfer ist er uns voraus. Als Erlöser geht er neben uns. Als Heiliger Geist wohnt er in uns.
Das dritte Bild und die dritte Hand habe ich im Internet gefunden unter dem Stichwort "Hand". Genauer gesagt: Es sind zwei Hände, die zusammen ein Herz formen. Ich brauche den anderen, um mein Herz zu
entdecken. Ich brauche den anderen, um lieben zu können, um Frieden und Versöhnung und so vieles mehr in der Welt zu stärken. Der Heilige Geist, der Geist Gottes traut mir, traut uns das zu! Er
braucht uns als seine Mitarbeiter in seiner Welt. Die Initiative und Kraft, die von Gott und von Jesus ausgeht, geht auf uns über. Wir werden durch den Geist in das Kraft-Feld Gottes hineingezogen. Wir
bleiben nicht stumm und passiv. Gott bezieht uns ein in Sein Leben! Und darum erscheint in der Mitte des Herzens das Licht. Sein Licht. Er selber. Als die Mitte der Liebe.
Drei Hände also. Sacht berührend. Auf die Schulter gelegt. Zum Herzen geformt.
Vielleicht merken Sie, dass die Dreifaltigkeit alles andere ist als eine abstruse Lehre über Gott, ohne Bodenhaftung. Sie hat ganz viel eigentlich alles - mit unserem Menschsein zu tun!