Kirche als Gebetsgruppe

Predigt am 28.05.2017

Als Jesus in den Himmel aufgenommen war, kehrten die Apostel vom Ölberg nach Jerusalem zurück.
So beginnt die Lesung, und dann nennt sie alle Apostel beim Namen, erwähnt auch die Frauen, die dabei sind: eine ganze Gruppe hat sich da im Obergemach versammelt und verharrt dort einmütig im Gebet. Die ersten Glaubenden bleiben zusammen. Sie laufen nicht auseinander. Das erste Bild der Kirche ist eine Art Gebetsgruppe. Männer und Frauen, darunter Maria, beten zusammen, beten "einmütig". Worum sie beten, und wie sie beten, wird nicht gesagt. Aber wir dürfen vermuten, dass sie um Stärkung bitten. Darum, dass ihnen ein Weg gezeigt wird. Dass sie ihren Weg mit dem auferstandenen, zu Gott heimgekehrten Jesus Christus erkennen - und ihren Weg miteinander, mit den Brüdern und Schwestern. Was sie damals erkannt haben, nicht auf einen Schlag, sondern in Geduld und Ausdauer, im Beten und Nachdenken durch Jahre und Jahrzehnte hindurch, davon zehren wir noch heute.

Es heißt: Sie "verharrten" im Gebet. Verharren, das dauert. Ausdauer ist gefragt, Durchhalten. Nicht davonlaufen beim ersten Gegenwind. Nicht einknicken in den Schwierigkeiten. Die Jünger und die Frauen sind vermutlich verwirrt und unsicher. Das ganze Geschehen um Christi Tod und Auferstehung überrollt sie geradezu, überfordert sie auch, fordert sie aufs Äußerste heraus. Das hält man nur durch, wenn man zusammenbleibt. Zusammen üben die ersten Glaubenden etwas ein, das wir Treue nennen können: Treue zu Christus. Ohne Treue geht gar nichts. Die Treue ist das Salz in der Suppe z.B. in der Ehe, sie ist der rote Faden der Ehe, sie ist der aktive Versuch, immer mehr auf den anderen zuzugehen in allem, was kommen mag. Und ganz ähnlich ist es mit der Treue im Glauben. Dann bemüht sich einer, immer mehr - und nicht immer weniger und immer "dünner" - mit Jesus Christus zu leben, ihn als Mitgeher anzunehmen, in allen Wechselfällen und unterschiedlichen Phasen unseres Glaubens. Das wichtigste Mittel der Treue ist wohl das Gebet, der innere Dialog mit dem Mitgeher.

Die Treue, das Gebet, die Gemeinschaft: das hilft im Gegenwind. Der weht ja heute heftig. Schnell kann sich da der Bazillus der Resignation ausbreiten, damals wie heute nach dem Motto: "Wir sind so ein winziger Haufen, wir sind eine so kleine Herde: Was können wir denn schon ausrichten?"

Wir ahnen, dass Menschen Wunderbares ausrichten können, wenn sie zusammenbleiben. Wenn sie zusammen beten und für den "Beistand", den heiligen göttlichen Geist offen sind. Die erste Gemeinde da im Obergemach in Jerusalem hält durch. Mehrmals taucht das Wort auf: einmütig. Eines Mutes. Ohne Mut, ohne Courage wären die ersten Christen schnell am Ende gewesen. Der Mut kommt aus der Kraft des gemeinsamen Betens. Das können wir Christen auch heute erfahren, ganz besonders in den "armen Ländern" der Erde, wo Menschen viel mehr aufeinander angewiesen sind.

Regelmäßig kommen die ersten Christen zusammen. Nicht, um endlos zu palavern und zu debattieren. Nicht, um ausgeklügelte Pläne zu schmieden. Nicht in einer Sitzung oder Konferenz. Schlicht und ergreifend kommen sie zusammen, um zu beten und das Mahl zu halten, die Eucharistie zu feiern. Ohne die Versammlung kein Zusammenhalt. Man muss sich treffen und zusammenkommen - auch heute! Das ist der Boden für den Pfingstgeist. Auch zu Pfingsten sind die Jünger zusammen, wenn auch ängstlich, hinter verschlossenen Türen. Auch hinter denen kann der Geist zünden - wie eine kräftige Flamme! Dann allerdings springen die Türen auf und es geht nach draußen!

Ein spätmittelalterliches Gemälde aus Westfalen, aus Soest stellt diese erste Gemeinde sehr schön da. Die Jünger, Maria darunter, alle betend, mit gefalteten Händen. Heute gründet man, wenn man Lösungen sucht in großen Problemen, einen "runden Tisch": der ist auch hier. Sie sitzen im Kreis um den runden Tisch, sitzen Schulter an Schulter, in Tuchfühlung dicht gedrängt. Da passt nichts dazwischen! Aber oben, sozusagen "vor Kopf", da gibt es eine Lücke, einen Frei-Raum. Auf solche Lücken und Frei-Räume sollten wir auch heute achten, wenn wir zusammen sind. Es soll dann nicht eine Routine ablaufen, wir sollen nicht ganz "zu" sein mit den Sorgen und Problemen des Tages, etwa in unserem Pfarreientwicklungsprozess. Es soll ein Raum frei bleiben für das Neue und für Überraschungen. Ein Raum, den wir nicht mit uns selber füllen. Genau einen solchen Raum schafft das Gebet. Es ruft einen Anderen in unsere Mitte. Es lädt Jesus Christus zu uns ein. Es macht uns bereit für Gott. Er soll die Mitte sein. Er soll die Mitte füllen. Der freie Raum oben "vor Kopf" wird zur Einbruchstelle von oben. Und so stürzt im Bild die Taube, stürzt der Heilige Geist herab durch die Öffnung zwischen den Schultern und schafft aus dieser versprengten Herde der Ratlosen eine Gemeinschaft. Und die ist einmütig versammelt, im Gebet, in dieser großen Kraftquelle. Und dann strahlt sie aus und schwärmt sie aus, bis an die Grenzen der Erde. Der Apostel Thomas hat es bis nach Indien gebracht! Soweit müssen wir nicht kommen. Vielleicht reicht der kurze Weg zum Arbeitsplatz, zum Nachbarn, zum Mitmenschen: der Weg in m e i n e Welt, in der ich mich als Christ bewähren kann – in der Kraft des Heiligen Geistes!