Rede und Antwort stehen

Predigt 21.05.2017

Seid stets bereit, jedem Rede und Antwort zu stehen, der nach der Hoffnung fragt, die euch erfüllt (1 Petr 3). So hieß es gerade in der Lesung. Fangen wir an mit dem letzten Wort: erfüllt. Die Nachfrage lohnt sich schon: Was erfüllt uns eigentlich? Womit füllen wir unser Herz? Wofür stehen wir ein?

Es gibt eine Menge Leute, die sind nicht zufrieden damit, ihr Leben mit Dingen anzufüllen - ihre Wohnungen vollzustellen, ihre Kühlschränke und ihr Portemonnaie voll zu haben.

"Voll" - das schreckt sie eher ab. Volle Terminkalender. Nichts geht mehr rein. Weniger ist mehr, so sagen sie. Sie suchen Frei-Räume. Sie suchen Werte, die man nicht für Geld kaufen kann. Die kleinen Hoffnungen des Tages sind ihnen wichtig ("Hoffentlich gibt es morgen schönes Wetter!"), aber sie ahnen auch eine "große Hoffnung", die Menschen ganz und gar erfüllen kann. Zum Beispiel die Hoffnung auf eine bessere Welt, zu der ich beitragen kann. Dabei haben die großen Programme und die großen Worte an Kredit verloren. Es gibt Grund, ihnen zu misstrauen. Aber wie wäre es mit Personen, die vertrauenswürdig sind? Wie wäre es mit Personen, auf die man bauen und hoffen kann? Wir Christen haben damit eine lange und große Erfahrung! Wir machen unsere Hoffnung ja fest an einer Person: an Jesus Christus.

Personen können faszinieren. Ich denke an Papst Franziskus. Ein Großer in der Welt, der gar nicht groß und bedeutend sein will, sondern in seiner Einfachheit und Bescheidenheit glaubwürdig ist. Der nicht will, dass die Kirche um sich selber kreist und nur mit sich selbst beschäftigt ist. Sie soll Gottes Barmherzigkeit vorleben und ausstrahlen. Nur dazu ist sie da. Das fasziniert viele! Sie spüren: Der lebt mit einer Hoffnung, die jung geblieben ist - mit dieser unerschütterlichen Hoffnung auf Jesus Christus!

Hoffnung ist heute eher Mangelware. Sie kommt nicht so oft vor. Aber wenn einer sie ausstrahlt, dann kann sie anstecken. Und dann verpufft Begeisterung nicht wie ein Strohfeuer. Sie brennt nicht zur Asche herunter. Sie wärmt weiter, sie leuchtet weiter. Sie trägt.

Wären die Jünger zu Pfingsten nur kurzfristig begeistert, "high" gewesen, wie in einem Gefühlsrausch, wie bei einem "Megaevent", dann würde kein Mensch mehr heute von Jesus reden! Gott sei Dank zündete der Heilige Geist anders in den Jüngern. Es traf sie ins Herz. Es traf sie in der Mitte, es ließ sie nicht mehr los. Der Geist Gottes erfüllte sie. Und dann setzten sie Kopf und Kragen ein, setzten ihr Leben ein für dieses Neue, für diese Bindung an Jesus Christus.

"Seid stets bereit, Rechenschaft zu geben von Eurer Hoffnung!" Wir sind eingeladen zum Nachdenken über unsere christliche Hoffnung. Vielleicht lässt sich die Grundfrage so stellen: Was will Gott uns heute damit sagen, dass wir Christen eine Minderheit werden in einer säkularisierten Zeit, wo der Glaube den meisten Menschen ziemlich gleichgültig ist? Was ist da unsere Hoffnung? Ja, was will Gott uns damit sagen? Klagen und jammern wir nur, dass früher alles "besser war" und "alles den Bach runtergeht"?

Es gibt eine Karikatur, die den Nagel auf den Kopf trifft: Ein Ehepaar erwartet zu Hause Gäste. Der Herr des Hauses nimmt einen großen Blumenstrauß und stellt ihn vor das Kreuz an der Wand, so dass es verdeckt wird. Er sagt dabei: "Muss ja nicht gleich jeder sehen!" Da hat einer keine Lust auf "Rede und Antwort stehen"! Der Glaube hat sich da ganz zurückgezogen ins stille Kämmerlein. Das Kreuz ist ein Dekorationsstück, das noch aus alten Zeiten da hängt. Die Blumen verdecken es. Muss ja nicht gleich jeder sehen! So kriegt niemand den Glauben mehr mit. Er hat kaum Austausch, niemand fragt danach, er wird nicht herausgefordert. Er ist "verschämt" geworden. Er scheint sich zu schämen. Hoffentlich spricht mich keiner drauf an, mag der Gastgeber denken. Wenn aber von Gott und vom Glauben kaum mehr die Rede ist, wenn davon nicht erzählt wird, dann kommt der Glaube auch kaum mehr vor. Rede und Antwort stehen fallen aus.

Aber es gibt auch andere, ermutigende Beispiele. Ein Mann, den ich kenne, aus der Kirche ausgetreten, bekommt auf der Arbeit von einem freikirchlichen Kollegen eine Bibel in die Hand gedrückt: "Hier, lies mal!" Er tut es tatsächlich: er liest, und in den nächsten Wochen gehen alle inneren Lichter an! Es passiert eine Konversion, eine Lebenswende. Wäre der gläubige Arbeitskollege stumm und verschämt geblieben und hätte nichts gesagt, so wäre das alles wohl nicht passiert.

Oder: Eine alte Frau zieht ins Altenheim, freundet sich dort ein wenig mit einem jungen Zivi an, sie unterhalten sich über vieles, und irgendwann fragt die Frau den Jungen: "Sag mal, glaubst du eigentlich an Gott?" Der Junge windet sich, schüttelt den Kopf - er habe schon zu viel Schlimmes gesehen und mitgekriegt. Die alte Frau gibt ihm mit: "Ich glaube, du wirst den Weg zu Gott noch finden, du hast noch viel Zeit vor dir, und ich werde für dich beten!" Die Frau fordert den Jungen heraus, zum Nachdenken. So kann sich etwas bewegen im anderen Menschen. Aber ohne Rede und Antwort bewegt sich nichts.

Ein Mann aus der früheren DDR sieht ein Großplakat der Aktion gott.net an der Autobahn bei Berlin und mailt den Verantwortlichen: Ich sah euer Plakat mit der dreifach wiederholten Aussage "Ich liebe dich", sagt Gott. Ich bin zurzeit in einem tiefen Loch, hab Schlimmes hinter mir, aber dies Plakat war wie ein Himmelsbote. Es hat mich wirklich gestärkt und aufgebaut. Und das auf der Autobahn!

So kann es kommen: Ein Himmelsbote auf der Autobahn. Himmelsboten, die Rede und Antwort stehen. Oder: die so leben, dass sie gefragt werden. Menschen, die durch eine Einladung, durch eine Frage, durch eine Geste beim anderen etwas in Gang bringen, und der tief gefrorene Glaube taut wieder auf. Die verschüttete Hoff-nung wagt sich wieder ans Licht. Himmelsboten: im Hausflur, am Krankenbett, beim Einkauf oder eben auf der Autobahn. Himmelsboten, die zu mir sprechen. Nicht so direkt, eher "durch die Blume". Aber wach und oft mutig. Vielleicht kann ich selber auch so ein Himmelsbote sein.