Weg. Wahrheit. Leben.

Predigt 14.05.2017

Es ist Wahlsonntag. Alle vier Jahre geben wir unsere Stimme ab: für die Stadt, für das Land, für den Bund. Von allen Seiten wird zu Recht gesagt: Ihr müsst wählen gehen!

Keine Angst, liebe Schwestern und Brüder, das wird jetzt keine Predigt über Politik! Ich möchte viel mehr darauf eingehen, dass wir ständig wählen und uns entscheiden müssen. Bewusst oder unbewusst. Wählen aus verschiedenen Möglichkeiten. Was ziehe ich an - das kurze schwarze oder das lange blaue Kleid? Was sehen wir im Fernsehen - den Krimi oder Maybrit Illner? Wohin fahren wir im Urlaub - nach Mallorca oder an die Nordsee? Welchen Kuchen packe ich bei ALDI in den Wagen - Kirsch- oder Apfelkuchen? Im Großen wie im Kleinen müssen wir ständig wählen, müssen wir uns ständig entscheiden.

Die größte Wahl: der Weg! Wie will ich leben? Welchen Weg will ich gehen? Welcher Weg passt zu mir? Oder: Zu welchem Weg bin ich "berufen"? Heiraten, Kinder, Familie? Ein technischer Beruf, weil ich als Kind schon mit Autos zugange war? Eine konservative Weltsicht, weil meine Eltern die auch schon hatten? Oder gerade drum: alles ganz anders sehen? Im Christsein noch drin sein, aber das „nicht so eng“ sehen? Aus solchen und anderen Wahlen setzt sich dann unser Lebensweg zusammen. Meist nicht auf Grund klarer und direkter Entscheidungen, sondern weil es sich irgendwie so ergab. Weil "das Leben so spielt". Weil es uns hierhin und dahin treibt.

In puncto Glauben kommen wir heute wohl ohne klare Entscheidungen kaum aus. Das ist vielleicht das Gute an der heutigen Zeit: Nur aus Gewöhnung und "weil das so üblich ist" bleibt heute kaum einer ein gläubiger Christ. Er muss wissen, was er tut. Er muss sich z.B. entscheiden, ob er seine Kinder christlich erziehen will. Er muss sich fragen, wie man das denn macht. Ob er sie mitnehmen will "auf einen Weg, der tiefer zu Gott und den Menschen führt" (so frage ich die Eltern immer bei der Taufe). Damit ist das entscheidende Stichwort noch einmal genannt: Weg.

Im Evangelium sagt Jesus sehr selbstbewusst: Ich bin der Weg! Der Akzent liegt dabei auf "der": also nicht irgendein Weg unter vielen anderen. "Ein möglicher Weg neben anderen", das lässt eine auf Toleranz und Pluralismus gerichtete Gesellschaft ja wohl gelten. Aber der Anspruch "der Weg" gerät gleich unter Verdacht und wird zurückgewiesen: Anmaßung! Was bildet sich die Kirche eigentlich ein?

Nun, den Dreiklang Weg - Wahrheit - Leben verdanken wir dem Evangelisten Johannes. Er lässt Jesus so sprechen, aber eigentlich will er sagen: Ich, Johannes, habe Jesus so erlebt. Ich kann nicht anders, als in ihm den Weg zu sehen. Ich kann nicht anders, als seine Wahrheit zu glauben, mein Vertrauen ganz in ihn zu setzen und so das "Leben in Fülle" zu empfangen.

Ich höre den Evangelisten Johannes sagen: Denkt an die Fußwaschung. Niemand sonst hat davon berichtet. Nur ich. Da ist alles zusammengefasst. Hat man sonst schon mal gehört, dass einer, der "oben" ist, der von Gott her kommt, so tief nach unten geht, sich bückt zu Füßen herunter, den Dreck und Staub der Straße abwäscht? Einer, der seine Wahrheit nicht als Theorie, als Gedankengebäude, gedruckt unter die Leute bringt, sondern sie "lebt"? Eine Wahrheit nicht aus Büchern, sondern aus dem Leben? Einer, der sein Leben lässt und hingibt für die anderen? Ein Wegweiser, der den Weg selber geht, den er anzeigt?

Ja, könnte Johannes sagen, in diesem Jesus habe ich den "Schatz" gefunden, die Perle, für die man alles andere liegen lässt. Der Sinn des Lebens? Leben mit ihm, leben wie er. Leben wie aus einem Guss. Nicht die schönen Worte auf dem einen Blatt und dann die mäßigen Taten auf dem anderen, nein, alles stimmt überein: Weg, Wahrheit, Leben. Worte und Taten.

Weg ist dabei das treffendste Wort. Wir wollen Wege zu Gott finden, zum Sinn, zum Ganzen. Johannes würde sagen: Den Weg müsst ihr nicht erfinden. Die Brücke ist schon gebaut. Gott ist auf dem Weg zu uns. Sehnsüchtig liebt er uns und bittet um unsere Liebe. Er ist Mensch geworden. Er sucht und besucht uns und wohnt in uns. Der Weg ist da. Wir müssen nicht im Nebel herumstochern, wo alles unbestimmt und vage ist. Spuren sind auf dem Weg. Uns ist sozusagen ein "Navi" mitgegeben. Das ist das Evangelium von Jesus Christus. Es macht uns Mut, sich auf Gottes Weg zu uns zu trauen und dann zu spüren: Das ist unser Weg zu Gott! Und diesen Mut brauchen wir, denn der Weg hat viele Etappen, die steil hoch gehen, steinig und mühsam sind. Und andere Abschnitte, die nur schön sind und eine weite Aussicht schenken.

Heute als Christ leben, das bedeutet: sich immer wieder auf den Weg begeben, auch wenn man meint, am Ende oder fix und fertig zu sein. Die Wahrheit suchen und sich nicht mit raschen und modischen Parolen und Patentantworten zufrieden geben. Heute als Christ leben, das bedeutet: dem Leben zu trauen, das Leben zu lieben, weil Gott ein Freund des Lebens ist. Unterwegs bleiben - hin zu ihm, hin zu den anderen, hin zu meinem eigenen Selbst.

Diesen Weg hat damals Johannes gewählt. Den Weg mit Namen Jesus. Ihn möchte auch ich wählen. Nicht, "weil er sich irgendwie so ergab", sondern, weil er die Wahrheit ist.