Nichts oder viel im Netz

Predigt 30.04.2017

Was war nach Ostern, damals? Alles eitel Sonnenschein? Die Jünger und ersten Christen auf Erfolgskurs? Die Sandalen schon geschnürt, um loszuziehen und den Osterglauben zu verbreiten in der ganzen Welt? Nein, so schnell ging das nicht. Und leicht und einfach ging es auch nicht. Ein bisschen war es so wie heute.

Das erste, was auffällt: Es geht ganz alltäglich zu. Die Jünger sind wieder am See von Tiberias. Dort wurden sie einst von Jesus berufen. Jetzt sind sie wieder da. Sie machen weiter, wo sie damals aufgehört haben: im Alltag, als Fischer, in gewohnter Arbeit, jeder in seinem Beruf. Hilft ihnen der Osterglaube beim Fischfang? Offensichtlich nicht: selbst in der Nacht, der idealen Zeit zum Fischen, fangen sie nichts. Die Netze sind leer. Man muss mit Misserfolgen und Pannen leben, es läuft nie alles nach Wunsch. Der Mensch spürt seine Ohnmacht und seine Grenzen mit und ohne Osterglauben.

Das ist die erste Erfahrung, die in unserem Evangelium aufgegriffen ist. Obwohl Jesus lebt, obwohl die Jünger das glauben und lernen, damit umzugehen - sie haben keinen Grund, von morgens bis abends Halleluja zu singen. Die Arbeit in der Nacht war umsonst.

Erinnern wir uns, dass Petrus und seine Freunde von Jesus zu "Menschenfischern" eingesetzt wurden. Das ist eine weitere Farbschicht im Bild. Es geht nicht einfach nur um Fische, sondern darum, das Wort Gottes zu den Menschen zu bringen und die Menschen im Netz der Kirche zu sammeln und zu bergen. Bei den Worten "Menschenfischer" und "Netz" können wir einen Schrecken bekommen: Sollen wir gefangen werden? Sollen wir ins Netz gehen? Aber man kann ein Netz ja auch anders gebrauchen - ein Artist im Zirkus etwa weiß sich vom Netz aufgefangen, wenn er abstürzt. Auf Kirchentagen oder Jugendbegegnungen knüpfen die Leute an einem Netz, um auszudrücken, dass ihr Leben miteinander verbunden, vernetzt ist. Dass sie alle zusammengehören - in dem großen „Netzwerk“, in das Gott uns gerufen hat.

Hier, in unserem Evangelium, gibt es das also schon: viel Aufwand und alles für die Katz! Eine ganze Nacht auf Fischfang und nichts im Netz! Ja, was unternimmt die Kirche nicht alles, um Menschen für das Evangelium zu interessieren: Sitzungen über Sitzungen, Veranstaltungen ohne Ende, jedes Jahr neue Kommunionkinder und Firmlinge und vieles mehr. Der Aufwand ist groß, sehr viel guter Wille ist da. Aber auch da zeigt sich oft genug: die ganze Nacht gearbeitet und nichts gefangen. Eine Erfahrung der Kirche, die schon früh in diesen Text eingegangen ist.

Und dann die andere Seite: Auf Jesu Wort hin warfen sie die Netze wieder aus und konnten sie nicht wieder einholen, so voll waren sie. Wieso auf einmal diese Fülle? Vielleicht, weil sie vertraut haben. Weil sie nicht aufgehört haben mit dem Fischen. Weil sie die Flinte nicht ins Korn warfen. Weil sie nicht ins Horn tuteten: Hat ja alles doch keinen Zweck.

Sagen wir oft vielleicht etwas zu schnell: Das ist unmöglich? Die Bibel dagegen erzählt immer wieder, wie aus Kleinem, fast aus dem Nichts heraus, Großes entsteht. Denken wir an die Brotvermehrung: fünf Brote und zwei Fische. Was ist das für so viele? Und das Ende vom Lied: alle aßen und wurden satt. Die Bibel rechnet nicht so sehr mit den Möglichkeiten und Unmöglichkeiten der Menschen, sondern mit den Möglichkeiten Gottes. Nicht mit den schlechten Erfahrungen, die wir machen, sondern mit den guten Erwartungen, zu denen wir eingeladen sind. Wer sich darauf einlässt, kommt ins Staunen!

Schauen wir noch einmal auf Petrus. Der war ein erfahrener Fischer. Nach erfolg-loser Nacht soll er noch einmal, am Morgen, die Netze auswerfen. Petrus macht das, obwohl der Morgen eine ganz schlechte Zeit fürs Fischen ist! Er sagt: Auf dein Wort hin will ich die Netze noch einmal auswerfen! Was für ein Vertrauen! Ich denke, wir schätzen Erfahrungen zu Recht hoch ein, aber wir dürfen uns mit ihnen nicht neue Möglichkeiten verbauen. Hätte Petrus nur nach seiner Erfahrung gehandelt, dann hätte keine Nachfolge stattgefunden. Hier in unserer Geschichte macht Petrus sozusagen einen Kopfsprung ins Ungewohnte. Er springt kopfüber ins Wasser, um Jesus näherzukommen. Kleine Kopfsprünge aus den Gewohnheiten heraus ins Ungewohnte, das brauchen wir auch! Wieder zum Gebet finden, auch wenn es für einen eher ungewohnt geworden ist. Jemandem etwas schenken, der nicht damit rechnet. Sich einsetzen für andere, auch wenn ich das bisher selten getan habe - und wie die Beispiele alle heißen mögen.

In der Ostergeschichte liegt der Ruf: Riskier es! Halte dich nicht zu lange beim Wenn-und-Aber auf. Riskier es. Es kann dir gehen wie diesen Jüngern: sie konnten das Netz nicht mehr ziehen.

Noch etwas: In unserem Text werden die Fische gezählt: 153. Das muss eine symbolische Zahl sein. Es heißt, es habe im See 153 verschiedene Sorten Fische gegeben. Sie haben also alles drin im Netz, was da überhaupt herumschwimmt! Und da es nicht um Fische geht, sondern um Menschen: alle Sorten von Menschen sind gemeint, die man sich auf Gottes Erdboden nur vorstellen kann. Dann kann man am Ende eine wirklich gemischte Gesellschaft im Netz haben: Schwarze und Weiße, Sichere und Unsichere, Gläubige und Halb- oder Viertelgläubige, Alte und Junge. Alle in dem einen Netz. Und das geht nicht kaputt, es hält das aus. Die Kirche hält das aus! Darum ist es nicht nötig, hinterher auszusortieren und wieder ins Wasser zu werfen, was uns nicht passt.

So ist diese Geschichte ein Bild in vielen Farben - ein Niederschlag vieler Erfahrungen. Erfahrungen des Misserfolgs. Aber auch - und noch stärker - die Erfahrung des Wunders, das sich einstellt, wenn Menschen wirklich auf Gott vertrauen. Und das heißt ja Ostern: auf den Gott vertrauen, der Tote ins Leben ruft!